Trigger - Dorn, W: Trigger
nicht der
ruhigere Teil ihres Verstandes signalisiert, dass es dafür keinen Grund gab.
Es ist einfach nur ein Mädchen. Ein kleines, nicht einmal zehn Jahre altes Mädchen in einem bunten Sommerkleid, mit einem sehr ernsten Gesicht.
»Hast du mich aber erschreckt«, sagte Ellen und lachte. Ein unsicheres Lachen. Fast automatisch verbarg sie den Schraubenschlüssel hinter ihrem Rücken. »Bist du allein?«
Die Kleine schüttelte den Kopf.
»Komm, er wartet schon auf dich.«
Sie machte kehrt und rannte zurück in den Wald, aus dem sie gekommen war.
Im ersten Augenblick war Ellen viel zu überrascht, um reagieren zu können. Sie sah der Kleinen nach, wie sie, ohne sich noch einmal nach Ellen umzusehen, in den Wald hineinlief. Dabei sprang sie geschickt über Gehölz und Farnbüschel und ließ den Schotterweg völlig außer Acht, so als gäbe es ihn gar nicht.
Für Ellen bestand keine Sekunde lang ein Zweifel daran, dass das Kind mit er den Schwarzen Mann meinte. Genauso wenig zweifelte sie daran, dass dieses Mädchen zu ihm gehörte. Vielleicht war sie sogar seine Tochter?
Auf einmal schien alles einen Sinn zu ergeben. Dieser Kerl, der Schwarze Mann - wie auch immer er heißen mochte – hatte das Mädchen nach ihr geschickt, um sich die nötige Zeit zu verschaffen, die er von der Klinik bis zu dem Ort benötigte, an dem er sich tatsächlich mit Ellen treffen wollte.
Sie war sich zudem sicher, dass an diesem Ort auch die Frau ohne Namen sein würde. Seine Frau. Die Frau, die er
grün und blau geschlagen hatte, aus welchem Grund auch immer.
Ellen lief los. Ihr Herz raste wie wild, und sie umklammerte den Schraubenschlüssel noch fester.
Die Kleine hatte inzwischen einen beachtlichen Vorsprung. Hätte das Blumenmuster ihres Kleides nicht so grell durch das Grün des Waldes geschimmert, hätte Ellen sie um ein Haar aus den Augen verloren.
Ein seltsames Kleid, dachte Ellen. In Schnitt und Farbe war es längst aus der Mode gekommen. Vielleicht stammte es von einem Flohmarkt, aus der Altkleidersammlung oder aus einem Second-Hand-Laden – ähnlich wie der Trainingsanzug, den die Frau ohne Namen getragen hatte.
Immer weiter folgte Ellen dem Mädchen. Dabei sah sie sich ständig nach allen Seiten um und hielt den Schraubenschlüssel zum Schlag bereit. Solange sie in Bewegung blieb, würde es ein Angreifer nicht leicht mit ihr haben. Sie konnte ihren Schwung für ihre Abwehr einsetzen, und das würde ihm nicht gut bekommen.
Trotzdem fühlte sie sich deswegen nicht besser. Der Weg führte immer tiefer in den Wald hinein. Was war, wenn dieser Kerl irgendwo saß und sie ins Fadenkreuz eines Zielfernrohrs nahm? Er musste einfach nur abdrücken und …
Wohin läufst du nur? Der Wald wird immer dichter, und da kommt ewig nichts anderes als Wald, keine Häuser und erst recht kein Ort.
Obwohl Ellen schon nach wenigen Schritten in ihre übliche Laufroutine verfallen war, schien der Abstand zwischen ihr und dem Mädchen nicht geringer zu werden. Die Kleine war unglaublich flink. Ellen hatte vor einiger Zeit an einem lokalen Halbmarathon teilgenommen und war
die Strecke in knapp eindreiviertel Stunden gelaufen. Das war nicht sonderlich gut, bedachte man, dass Spitzenläuferinnen für diese Distanz nur etwas mehr als eine Stunde benötigten. Trotzdem hätte es ihr gelingen müssen, dieses Kind einzuholen, dafür war sie trainiert genug, Vorsprung hin oder her. Doch sie schaffte es nicht.
Sie wich Wurzeln, Baumstümpfen und Büschen aus, sprang über mehrere schmale Gräben, die das Regenwasser im Lauf der Jahre wie ein Aderngewirr in den Waldboden gegraben hatte, aber das Mädchen im bunten Kleid war immer seltener zwischen den Bäumen zu sehen. Jedes Mal ein Stückchen weiter und noch weiter, und noch weiter, und schließlich gar nicht mehr.
»Scheiße!«
Keuchend blieb Ellen stehen. »Das gibt es doch gar …«
Whump!
Etwas schlug mit unglaublicher Wucht gegen ihren Rücken und schleuderte sie zu Boden. Ellen konnte gerade noch schützend die Hände hochreißen, um nicht mit dem Gesicht auf eine knorrige Wurzel zu stürzen.
Keine Handbreit von der Wurzel entfernt prallte sie auf den Boden, und das große, schwere Etwas landete auf ihrem Rücken. Das Gewicht presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie hörte ein knackendes Geräusch, von dem sie sich nicht sicher war, ob es von ihren Rippen, den trockenen Ästen am Boden oder gar beidem herrührte.
Sie wollte nach Luft schnappen, doch es ging nicht. Der Angreifer auf
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