Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
eines Lieferwagens zerrte. Beim Hochheben sackte der Kopf der Frau nach hinten und trotz des Klebebands über dem Mund erkannte sie Tatjana Drakovic.
„Was machen Sie da?“, schrie sie und verwünschte sich im selben Moment für diese Dummheit. Langsam, fast wie in Trance richtete sich der Mann auf und drehte sich in ihre Richtung. Deutlich sah sie jetzt den Schriftzug „Schröder & Gonzales“ auf seinem schwarzen T-Shirt, darunter Head of Creation im flackernden Neonlicht. Als sie in sein Gesicht schaute, glaubte sie den Verstand zu verlieren:
Die durchtrainierte Figur, der Kopf, die streichholzkurzen Haare, die Kopfhörer – alles stimmte, konnte aber nicht sein, war undenkbar! Absolut unlogisch! Unlogisch! Unlogisch! Gibt es nicht! Gibt es nicht! Gibt es nicht! Kann einfach nicht sein! Augen zudrücken, aufreißen! Zudrücken! Aufreißen!
Doch Anna wusste, dass alles real war. Die Realität war tatsächlich so, wie sie nicht sein konnte, nicht sein durfte und trotzdem war es der Augenblick der Wahrheit.
Thanatografie: Die Auslöschung
Sag es!, fordern mich die Stimmen ständig auf. Sag es!, drohen sie mir unmissverständlich, wenn ich einfach nicht daran denken will und mich weigere zu schreiben und zu hören. Sag es! Du hast es erlebt, du hast es gefühlt, du hast es vollbracht, du weißt, wie es ist. Sag es!, zwingen sie mich, meine eigene Stimme zu hören, und dann sage ich: Töten ist ganz einfach! Erst jetzt sind sie zufrieden, wenn ich mich dazu entschließe, mir selbst zu lauschen, wenn ich sage: Töten ist ganz einfach!
Ich sitze noch auf dem Sofa und starre aus dem Fenster, starre auf die tote Madita in ihrem „Cosmic Dancer“-T-Shirt, die im Schmutz auf der Straße liegt. Jetzt kommen sie natürlich wieder schnell ins Haus: Mutter, Vater, meine Schwestern. Die Weiber heulen, Vater sitzt wie versteinert am Tisch, noch ist alles wie immer, noch hängen die schmutzigen Lappen am Herd, noch steht ein geflickter Kochkessel oben auf der Platte, noch glauben sie an ihr Überleben.
Krachend öffnet ein Fußtritt die Tür. Schwere Stiefel, soviel kann ich erkennen, das ist aber auch schon alles. Ich springe vom Sofa, will weg vom Zerfall, von der Hoffnungslosigkeit. Doch der Tod steht bereits vor mir in seiner schwarzen Jagdkleidung, die seine gedrungene Gestalt noch wuchtiger erscheinen lässt und seinen breiten Schädel noch mächtiger. Dieser Tod in Menschengestalt feuert ohne Zögern, natürlich will er mich mitnehmen in sein Totenreich, mich dem Fährmann übergeben, der mich über den Fluss geleitet, ans andere Ufer, dort, wo Madita im fahlen Licht schon auf mich wartet.
Ich sehe das orange leuchtende Mündungsfeuer, das unsere erbärmliche Küche in ein festliches Licht taucht und wie von einer Riesenfaust getroffen, knalle ich über den fettig glänzenden, schwarz schmierigen Boden, lande neben dem Tisch, trete aus Raum und Zeit, das heiße Metall des Royal-Steel-Deckels brennt sich zischend in meine Haut.
Die Schwestern krabbeln schreiend über den Boden, suchen absurderweise das zerfledderte Bilderbuch und den zerkauten Stoffhasen, sie sind ja erst vier und sechs Jahre alt, aber sie verstehen: Heute ist ein guter Tag zum Sterben! Sie umklammern die Beine von Vater und Mutter, die tatenlos, hoffnungslos, hilflos auf ihren Stühlen sitzen, die Hände schützend über die Köpfe der Mädchen halten, ihre Lippen bewegen sich lautlos, formen sich zu sinnlosen Gebeten. Die Mädchen halten den Abgesandten des Todes ihren Spielzeugmüll entgegen, als würden sie sich dadurch die Absolution kaufen können, doch den Tod beeindruckt man nicht.
Im Rhythmus der Schüsse vollführen Vater, Mutter, die Schwestern ein groteskes Ballett, werden vor und zurückgeschleudert, von dem Orange der Mündungsfeuer fürstlich erhellt,
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