Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
wird.“ Mit dem Zeigefinger hatte sie einen Kreis auf das verschneite Stehpult gemalt. „Ich habe viel von dem jungen Mädchen gelernt“, hatte sie gesagt. „Dieser Überlebenswille von Marusha hat mich tief beeindruckt. Sie wird die Leitfigur für mein Buch werden, das Licht, das die Hölle erleuchtet. Was passiert jetzt eigentlich mit ihr?“
„Sie ist unsere Hauptbelastungszeugin und hat eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung für Österreich bekommen. Alle Fälle der verschwundenen Mädchen werden jetzt untersucht und die Familien müssen ausfindig gemacht werden. Da liegt noch eine Riesenarbeit vor uns, aber das ist es wert. Keines der toten Mädchen darf namenlos bleiben. Ich habe einen Deal mit Ritter von der Staatsanwaltschaft ausgehandelt, denn er wollte das belastende Video-File von seinem Golfpartner Falk Weber einfach verschwinden lassen. Wenn das herausgekommen wäre, dann wäre er erledigt gewesen. Aber zufälligerweise hattest du ja noch die Kopie.“
„War mehr als ein glücklicher Zufall, findest du nicht, Braun?“, hatte Kim wissend gelächelt. „Das kommt aber nicht in meinem Buch vor!“
„Wie heißt denn dein Buch?“ Braun war schon beim zweiten Bier angelangt und Kim hatte billigen Weißwein aus einem Pappkarton getrunken, da Kemal der Wirt bedauerlicherweise nichts für hochwertige Weine übrig hatte.
„Mein Buch heißt ,Requiem für die verschwundenen Mädchen‘. Das Buch wird die Mädchen vor dem Vergessen bewahren und vielleicht auch mich.“ Kim war ein wenig sentimental geworden und hatte sich ein weiteres Glas eingeschenkt. „Aber ich nehme den Kampf auf und lasse mich nicht unterkriegen! Die Therapie von Goldmann stimmt mich so positiv!“
„Du willst mir noch immer nicht sagen, wofür du kämpfst?“
„Braun, ich kämpfe für das Leben, verstehst du! Für mein Leben!“ Als Kim ihr Glas Wein ausgetrunken hatte, sah sie Braun lange in die Augen.
„Ich melde mich, wenn ich wieder zurück im Leben bin, Braun! Versprochen!“
Endlich erreichten Braun und Jimmy die Innenstadt von Linz und krochen mit ihrem Wagen im dichten Schneetreiben zwischen den Häusern entlang. Vor dem mit Brettern vernagelten Gebäude der ehemaligen Stadtbibliothek hielt Braun den Lieferwagen an und blickte auf das ziemlich heruntergekommene Haus.
„Das also ist das Taubenhaus, das dein Freund Phil erwähnt hat?“
„Genau. Ich habe versprochen, alle 47 Tauben hierher zu bringen, damit für sie gesorgt wird. Es ist so etwas wie ein Waisenhaus für Tauben.“ Jimmys Augen glänzten, als er Braun davon erzählte, dass ein alter Mann täglich mit Taubenfutter vorbeikam und, während er die Körner in den leeren Gängen und Lesesälen der Bibliothek verstreute, den Vögeln aus den Büchern vorlas, die halb verschimmelt in den Regalen zurückgelassen worden waren.
Als die letzte Taube durch den großen Lesesaal davonflatterte, blickte ihr Jimmy lange hinterher.
„Das war Damian, Phils Lieblingstaube! Ich glaube, sie erzählt Phil jetzt, dass ich seinen letzten Wunsch erfüllt habe. Sie ist jetzt in Freiheit!“
Zwei Tage vor Weihnachten tranken die beiden Männer heißen Tee und freuten sich schon auf die Feiertage. Von ihrem Beobachtungsposten aus konnten sie den Hof des Hochsicherheitsgefängnisses und auch die Straße überblicken. Dort war ihnen natürlich der verbeulte Range Rover aufgefallen, der am Straßenrand im Schnee parkte.
„Glaubst du, dass er ihn heute besucht und ihm schöne Weihnachten wünscht?“, fragte einer der Gefängniswärter und deutete auf den Mann, der mit verschränkten Armen am Kühler lehnte und dessen schwarze Haare im Wind flatterten.
„Nein, ich denke, heute ist er noch nicht so weit.“
ALLE MÜSSEN STERBEN
B.C. Schiller
Alle
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