Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
vom Regen aufgequollener Bilderrahmen mit einer verwässerten Zeichnung hinter dem gesprungenen Glas kommt in den Vordergrund. Es ist die mit wenigen Strichen hingeworfene Skizze eines nackten jungen Mädchens mit strähnigen Haaren und großen Augen. Die Schrift am unteren Rand ist schwer zu entziffern, doch dann fährt die Handykamera näher und die Buchstaben werden deutlicher: „Für mein Banshee-Mädchen“.
8. Ein Sohn hasst seinen Vater
Immer wieder ist der brennende Kopf zu sehen, die Haut, die sich langsam von dem Schädelknochen löst, um dann in schmalen Bahnen zusammengerollt zu verschmoren und einfach in der großen Hitze zu verschwinden. Die Augen flackern wild umher, treten aus den Höhlen, beginnen im Feuer zu verdampfen wie kleine Schneebälle, von denen nichts weiter übrig bleibt als eine gallertartige Flüssigkeit, die über den Wangenknochen nach unten sickert wie silberne Tränen, aber schnell in der Hitze verdampft.
Edgar Zorn starrte gebannt auf das Video, schloss die Augen, doch als er sie wieder öffnete, war noch immer der Schädel zu sehen, von dem aber nun fast nichts mehr an einen Menschen erinnerte.
„Das ist einfach grauenhaft. Wie kaltblütig muss man sein, um dieses Horrorszenario zu filmen“, murmelte er vor sich hin, als er das Video erneut abspielte. Mit angehaltenem Atem betrachtete er die verwackelte und unscharfe Szene mit dem Segelboot auf dem schwarzen See. Er ließ das Video weiterlaufen, bis eine Explosion den Mann am Mast in Flammen setzte, und stoppte wieder bei dem Zoom auf das schmerzverzerrte Gesicht.
„Wie viel kann ein Mensch nur ertragen. Ich muss dieses Video sofort löschen und dafür sorgen, dass es niemand in die Finger bekommt“, versuchte er sich zu beruhigen, während er die Löschfunktion seines Smartphones aktivierte und doch wieder zauderte. Denn es half alles nichts, das Video war nun einmal vorhanden und dieser Tatsache konnte er sich nicht entziehen.
Nervös biss Edgar Zorn auf seine Fingernägel, widerstand dem Drang, sich das Video erneut anzusehen, und strich sich mit seinen Händen über seine aschgrauen Wangen. Am liebsten hätte er sich jetzt dafür bestraft, um so sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Er wusste natürlich, dass er das Video löschen musste. Nicht auszudenken, wenn sein Vater es zu sehen bekäme oder Xenia. Beide würden ihn dann noch tiefer verachten. Wieso hatte er eigentlich ständig Angst vor seinem Vater? Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, müsste eigentlich selbstbewusst sein, verspürte aber immer noch diese tiefsitzende Angst, wenn er in diese Villa kam.
Sein 75-jähriger Vater saß hinter ihm in seinem Rollstuhl und starrte mit leerem, nach unten gekipptem Grinsen in den Kamin, in dem auch im Juli ein Feuer brannte, weil es ständig regnete und das Feuer den alten Zoltan Zorn beruhigte. Vielleicht sollte er doch einen Psychiater aufsuchen, denn diese waren ja an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, und mit ihm über diese Ängste und Obsessionen sprechen? Mit dem Video war eine neue Dimension erreicht worden, sollte dieses Video echt sein, dann war eine Grenze überschritten worden.
Edgar Zorns bleiches, weiches Gesicht, mit dem exakt geschnittenen grauen Kinnbart, schien geschrumpft zu sein, tiefe Falten bildeten sich auf der Stirn und die Wangen hatten ihre Straffheit verloren und hingen grau und schlaff nach unten. Dieses Gesicht entsprach wesentlich mehr seinem Wesen. Denn Edgar Zorn war mit Ende dreißig noch immer linkisch und gehemmt, zeigte sich nur ungern in der Öffentlichkeit und seine frühzeitig ergrauten Haare passten vorzüglich zu seinem unscheinbaren Äußeren. Doch als Erbe der Modekette Red Zorn musste er
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