Trinity (German Edition)
mit Wasser gefüllte Grube. An einer anderen verlassenen Versuchsstätte stand ungenutzt Laborgerät herum. Ungenutzt! Esau war wütend. Wenn seine Leute sich nicht einmal die Mühe machten, wenigstens den Eindruck von Tätigkeit zu erwecken, warf das ein schlechtes Licht auf ihn. Speer hob fragend eine Augenbraue, sagte aber nichts.
»Dies hier ist nicht die einzige Anlage, wo unsere Experimente durchgeführt werden«, sagte Esau. »Dr. Diebner hat noch eine weitere Gruppe, die in Göttingen arbeitet.«
»Tatsächlich«, erwiderte Speer mit leiser Stimme. »Und geht bei ihm die Arbeit voran?«
»Genau das ist das Problem!«, platzte es aus Esau heraus, der gleich wieder versuchte, seine Ungeduld zu zügeln. »Sie sind weit verstreut, und jeder kann sein eigenes Spielchen treiben, weil ich sie nicht alle im Auge behalten kann. Einer von Diebners Leuten, Dr. Paul Harteck, wollte ein Experiment mit Uranoxid durchführen und Trockeneis als Dämpfer einsetzen. Er hatte sich eine ganze Zugladung Trockeneis besorgt und brauchte eine große Menge Uranoxid – gleichzeitig hat aber Heisenberg die Hälfte davon für ein anderes Experiment beansprucht, das hier im Virushaus stattfinden sollte.« Esau sah Speer finster an. Der Reichsminister schien nicht zu begreifen.
»Sehen Sie, in der Kernphysik geht es immer um alles oder nichts – eine teilweise Reaktion gibt es nicht. Man kann die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht einfach halbieren. Die Folge war, dass beide Experimente scheiterten.« Er räusperte sich und drückte die Schultern zurück. »Aber das war noch, bevor ich Generalbevollmächtigter für Kernphysik wurde.«
»Und jetzt läuft alles sicherlich in geordneten Bahnen«, sagte Speer, ohne dabei den geringsten Sarkasmus an den Tag zu legen.
»Das wird es«, murmelte Esau. Er hatte jetzt etwas in der Hand, womit er Heisenberg erpressen konnte. Nachdem er den Nobelpreisträger erst einmal auf Vordermann gebracht hatte, würde er anfangen können, andere Dinge in Angriff zu nehmen.
Als sie sich Heisenbergs Büro näherten, trat dieser aus seiner Tür. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, freute er sich über den Besuch; Esau konnte auch erkennen, dass er sich bemüht hatte, seine Kleidung in Ordnung zu bringen. Sein rötliches Haar glitzerte feucht, als ob er sich gerade gekämmt hätte.
»Seien Sie mir willkommen, meine Herren«, sagte Heisenberg und rieb sich die Hände. Dann wandte er sich zu Speer. »Sie sind der Reichsminister? Ich habe Fotos von Ihren Veranstaltungen in Nürnberg gesehen. Höchst eindrucksvoll.«
»Werden Sie uns als nächstes Tee anbieten?«, fragte Major Stadt. »So wie es aussieht, haben Sie ja anscheinend nichts Besseres zu tun.«
Heisenberg zuckte zusammen, und seine Haltung wurde starr, als ob ihm plötzlich in den Sinn gekommen wäre, dass es Probleme für ihn geben könnte. Esau wollte ihn eine Weile schwitzen lassen. Es würde nichts schaden, wenn der Mann ein wenig von seinem hohen Ross herunterstieg.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Herr Major?« Der scharfe Unterton in Heisenbergs Stimme war nicht zu überhören. Esau hatte das Gefühl, an dem Konflikt nicht beteiligt zu sein.
»Wir haben beunruhigende Informationen über Ihre Arbeiten erhalten, Professor«, sagte Reichsminister Speer. Er schlüpfte aus seinem Mantel. Heisenberg griff danach, aber Speer reichte ihn einem seiner Motorradbegleiter.
»Wir würden uns gerne die Aufzeichnungen über Ihre Versuche ansehen«, sagte Major Stadt. »Bitte, geben Sie sie uns. Professor Esau wird sie überprüfen.« Die Stimme des Gestapomajors wurde jetzt lauter. »Wir möchten uns ein Bild davon machen, ob Ihre mangelnden Fortschritte nur die Folge einfacher Unfähigkeit oder eindeutigen Verrats sind.«
Das schien Heisenberg zu verblüffen. »Aber Herr Major, ich versichere Ihnen –«
»Das können Sie mit Ihren Aufzeichnungen tun. Wenn Sie unschuldig sind und nicht versucht haben, die deutsche Kernforschung zu sabotieren, sollten Sie ja nichts zu verbergen haben, oder?«
Heisenberg gab keine Antwort; er hätte auch nichts dazu sagen können. Das Schweigen dauerte zu lange. Esau hatte gerade angefangen, sich zu räuspern, als Heisenberg allem Anschein nach kapitulierte. »Aber selbstverständlich. Bitte, folgen Sie mir. Dann kann ich Ihnen alles zeigen.«
Esau sah die anderen Wissenschaftler im Flur stehen, sichtlich verärgert, aber doch zu verängstigt, um etwas zu sagen. Er erkannte Dr. Karl Wirtz, den
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