Trinity (German Edition)
Reaktorgebäude meldet, wird anschließend freigelassen. Wir geben ihm einen Mantel und einen Koffer mit Kleidung zum Wechseln und offizielle Entlassungspapiere. Wir lassen sie aus dem Lager gehen.« Stadt verschränkte die Arme vor der Brust.
Esau sah sich um und konnte nicht glauben, dass Stadt so etwas tun würde. »Sie lassen sie tatsächlich frei?«
Die Männer hatten inzwischen das Tor erreicht. Zwei Wachsoldaten öffneten das Tor und traten beiseite. Die Schritte der skelettartigen Männer wurden schneller. Ein Gefangener versuchte zu laufen, stürzte aber und hatte dann Mühe, sich wieder hochzurappeln. Auf einem der Wachtürme zielte ein Mann mit einem Maschinengewehr auf einen der Gefangenen, dann den nächsten, aber seine Waffe blieb stumm.
»Warum nicht?«, antwortete Stadt. »Sie sind ja bereits tot. Sie bekommen innerhalb weniger Tage eine tödliche Strahlungsdosis ab. Viele werden noch drinnen krank und müssen ersetzt werden. Die Kräftigsten, die eine ganze Woche im Reaktorgebäude überleben, schaffen es, sobald sie einmal draußen sind, noch höchsten einen Tag.« Er hielt sich einen behandschuhten Finger an die Lippen. »Wahrscheinlich könnten wir außer Sichtweite auf der Straße Wachen bereithalten, die sie erschießen. Aber warum uns die Mühe machen? Das ist nur Munitionsverschwendung. Also beschränken wir uns damit, die zu erschießen, die sich nicht freiwillig melden.«
Esau schüttelte den Kopf. Er blickte finster. »Wieso melden sich Leute für solche Arbeit freiwillig?«
Stadt kniff die Augen zusammen und sah ihn an. »Sehen Sie sie sich doch an, Herr Professor. Was haben sie den sonst für eine Chance? Wir haben schon genug Freiwillige für die nächsten zwölf Jahre.« Jetzt wurde seine Stimme beißend sarkastisch. »Aber ich bin sicher, dass Ihre Bombe schon lange vorher fertig sein wird, oder?«
Esau setzte zur Antwort an, aber in dem Augenblick kam ein Wachsoldat auf sie zu, dem der SS-Major sich zuwandte. Der Mann ging schnell und schob sich immer wieder den umgehängten Karabiner zurecht. Sein Atem dampfte, als er keuchend hervorstieß: »Ich suche Herrn Professor Esau!« Er sah zuerst Stadt dann Esau an. »Sind Sie das?«
»Ja.«
Der Mann wollte weiterreden, war aber so außer Atem, dass er zuerst tief durchschnaufen musste. »Reichsminister Speer ist soeben mit dem Wagen eingetroffen. Er möchte sich mit Ihnen vor dem Lager treffen. Sein Fahrer wartet auf Sie.«
Esau runzelte verwirrt die Stirn. Major Stadt schnaubte verächtlich. »Speer weigert sich, eines der Lager zu betreten. Er will nicht sehen, was hier drinnen geschieht, obwohl er es natürlich genauso gut wie alle anderen weiß. Er hat Angst. Ich wette, der würde sonst alles auskotzen, was er den letzten Monat über gegessen hat.«
Der Wachmann trat von einem Fuß auf den anderen und sah Esau an. »Ich kann Sie sofort zu ihm führen, Herr Professor.«
Major Stadt machte eine Handbewegung zu Esau hin. »Gehen Sie nur. Ich habe Ihnen ja alles berichtet, was es über den Reaktor zu sagen gibt. Sie sehen ja, dass alles gut läuft. Wenn Sie Dr. Diebner sprechen möchten oder sich selbst das Reaktorgebäude von innen ansehen, kann ich das einrichten.«
»Das wird nicht notwendig sein.«
»Das hatte ich auch nicht gedacht.«
Esau eilte hinter dem Wachmann her und hatte es eilig, das Lager zu verlassen. In der Ferne peitschten ein paar Schüsse. Major Stadt stand reglos da und starrte eine Weile die Gefangenen an, dann wanderte sein Blick wieder zu dem Reaktorgebäude mit seinen Schornsteinen und den Dampfschwaden darüber.
Der Wachmann blieb am Tor stehen, und Esau ging unter den Wachtürmen mit den Maschinengewehren vorbei. Der mit Schießübungen beschäftigte Mann richtete seine Waffe auf sie, schien dann aber zu erkennen, dass Esau keiner der aus dem Reaktorgebäude entlassenen Juden war, kippte seine Waffe nach oben und machte eine kurze Ehrenbezeugung.
Reichsminister Speers Limousine wartete auf der aufgekiesten Straße, die Dachau mit dem Lager verband. Esau konnte auf dem Rücksitz undeutlich die Umrisse eines Mannes erkennen. Der Fahrer saß am Steuer.
Esau ging auf den Wagen zu, öffnete die hintere Tür und stieg neben Speer ein, worauf der Reichsminister seinem Fahrer »Los« sagte und dieser den Wagen wendete. Als sie schneller wurden, sah Esau hinaus und sah die langen Reifenspuren auf dem schneebedeckten Boden.
Speer saß stumm da. Er hatte alle Fenster geschlossen, sodass sie jetzt
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