Trinity (German Edition)
öffnen plante, sobald sie die Raketen erfolgreich abgefeuert hatten. An den Rohren über den Raketen hingen geräucherte Schinken und Salamiwürste. Die Brotlaibe hatten jetzt schon wochenlang keinen Schimmel angesetzt, was einigen der Matrosen wie ein Wunder vorkam.
Werner strich mit der Hand über die leicht abgerundete Spitze der schwarz und rot lackierten Rakete. Das Metall fühlte sich etwas warm an. Er zog die Hand zurück, betastete dann aber auch die beiden anderen Raketen. Alle drei strahlten diese Wärme ab, die auf die im Inneren des Flugkörpers gebannte Zerstörungskraft deutete. Er sah, wie außen bereits am Rand die Farbe abzublättern begann.
Er war froh, dass das U-Boot sein Ziel beinahe erreicht hatte. Ganz besonders froh würde er sein, wenn er diese seltsamen neuen Waffen los war.
U-415 glitt im Schutz der Dunkelheit in den Hafen von New York. Ein paar ausgefranste, grauweiße Frühlingswolken hingen am Himmel, von den Lichtern New Yorks in rötlichen Schein getaucht. Wo der dünne Dunstschleier aufriss, konnte man den schwarzen Nachthimmel mit den glitzernden Sternen sehen.
Als die Luke aufging, trat Leutnant Gormann neben den Kapitän. Von den Holzplanken und den Stahlplatten des Unterseeboots rann Wasser. Von den lautlosen Elektromotoren angetrieben waren sie nach Sonnenuntergang die Lower Bay hinaufgekrochen, durch die Narrows und dann schließlich in völliger Dunkelheit in der Upper Bay aufgetaucht.
Kapitänleutnant Werner atmete die kühle Nachtluft mit ein paar tiefen Zügen ein und sah sich dann um. In der Stadt würde alles ruhig sein, ruhen, nichts argwöhnen. Das U-Boot würde in den Atlantik entkommen, ehe überhaupt jemand begriff, was vorgefallen war.
Der IO nahm seinen Feldstecher heraus und betrachtete die schimmernden Silhouetten der beleuchteten Wolkenkratzer. Sie hatten nur eine recht oberflächliche Karte des Gebiets. Aber die hervorstechenden Merkmale waren nicht zu übersehen. »Das da vorn ist ihre Freiheitsstatue«, flüsterte Gormann. »Sie starrt uns an.«
Der gelblichgrüne Lichtschein, der die Statue einhüllte, ließ das Bauwerk wie einen Koloss erscheinen, der den Zugang zur Stadt bewachte. »Sie wird gleich etwas Interessantes zu sehen bekommen«, erwiderte Werner.
Das Unterseeboot glitt weiter. In der Ferne bewegten sich die Positionsleuchten einer kleinen Fähre; U-415 hatte alle Lichter ausgeschaltet.
Der Kapitän erinnerte sich daran, wie er das letzte Mal in einen Hafen eingefahren war – Lorient. Ein Minenräumboot hatte sich mit ihnen an einem vorher verabredeten Punkt getroffen, um sie durch das tödliche Labyrinth zu einem sicheren Liegeplatz zu geleiten. Werner hatte an einer am Periskop befestigten Leine weiße Wimpel aufgezogen und damit die Gesamttonnage der von ihm und seiner Mannschaft beim letzten Einsatz versenkten Schiffe bekannt gegeben. Die ganze Mannschaft hatte die letzten sauberen Klamotten angelegt und sich die Bärte gekämmt, bereit zum Feiern. Sie liefen in einen Hafen ein, wo es frisches Essen, frische Kleidung und frische Frauen gab. Am Kai wurden sie von einer Musikkapelle begrüßt; Krankenschwestern und andere Angehörige des weiblichen Geschlechts warteten mit Blumen auf sie.
Ihr Empfang im Hafen von New York bildete dazu einen krassen Gegensatz.
Kapitän Werner stand neben dem Radardetektor; Gormann starrte immer noch durch seinen Feldstecher. »Ich würde gerne wissen, welcher von diesen Türmen das Empire State Building ist.«
»Das höchste, ganz sicher.«
»Ja, das muss es sein. Meinen Sie, ich kann King Kong oben an der Spitze sehen? King Kong ist Hitlers Lieblingsfilm, wissen Sie das?«
»Wir sind nicht als Touristen hergekommen, Leutnant«, wies Werner ihn zurecht.
»Verstanden, Herr Kaleu.« Gormann beugte sich vor und rief nach unten: »Klar zum Stoppen!«
»Alles stopp!«, sagte der Kapitän.
»Alles stopp!«, wiederholte der IO.
»Raketenklappen öffnen. Mal sehen, ob dieses Ding funktioniert.«
Gormann nickte. »Wenn nicht, wird das eine lange peinliche Reise zurück.«
Die Matrosen unten öffneten die Luken, dann klappte die vordere Deckspartie der U-415 auseinander, sodass man das rote Zwielicht im Innenleben des Unterseeboots sehen konnte. Die Öffnung weitete sich aus, als die Matrosen die Klappen zur Seite kurbelten, sodass die Raketen jetzt ganz frei zu sehen waren.
»Hydraulikmotoren einschalten«, sagte Werner. »Erste Rakete hochfahren. Und jetzt gut aufpassen. Wir müssen die beiden
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