Trinken hilft
umsonst abgaben. Gut gelaunt fuhren wir dann zu meiner Kollegin hinter Erbshausen.
Der Kirschbaum lag wie ein gestrandeter Blauwal auf der Wiese und bedeckte beinahe den ganzen Garten. Ich hätte niemals gedacht, dass ein einziger Obstbaum aus so viel Holz besteht. Was sich bei einem aufrechten Baum schwerelos in der Dreidimensionalität des unendlichen Raumes verliert, wirkt bei einem zu Boden gegangenen Baum erdrückend massig und platzgreifend. Die Kollegin war allein, ihr Mann mit den Kindern auf der Eisbahn. Sie wollte den Hefeteig nicht vernachlässigen und verzog sich bald wieder in die Küche. Wir sahen uns um, etwas ratlos. An eine Motorsäge hatten wir nicht gedacht, wir besaßen auch keine. Irgendwie waren wir mit der verschwommenen Vorstellung losgedüst, den Kirschbaum in handliche Segmente tranchiert und gebündelt vorzufinden. Das kommt durch die Unsitte von Mitnahmemärkten und deren sanfte Verführung zur Unselbstständigkeit. Zum Glück wusste meine Kollegin, wo ihr Mann seine Motorsäge aufbewahrt, wenn auch nicht, wie man sie bedient, aber dafür haben Ehemänner einen sechsten Sinn, und so fügte es sich, dass mein geschickter Mann nach wenigen Startversuchen die Höllenmaschine in Gang setzte.
Schon nach drei Stunden ohrenbetäubender Sägerei hatte er den Baum auseinandergenommen, und das war gut, denn es war Samstagnachmittag, es dämmerte, und am Sonntag haben Arbeitsmaschinen zu ruhen. Aber wenigstens nicht Autos. Man möchte nicht für möglich halten, wie schwer frisch geschnittenes Hartholz ist. Hat man erst einmal einen Anhänger voll damit beladen, weiß man es. Wenn man vier Fuhren geschleppt, geladen, entladen und wieder geschleppt hat, weiß es jeder Muskel bis hin zu den Gesichtsmuskeln, die auf Tage hinaus das Lachen verweigern. »Gut für die Kondition«, lautete der Kommentar meines Mannes nach der dritten Fuhre, aber nach der letzten Fuhre Sonntagabend sagte er nichts mehr. In der Badewanne taute er langsam wieder auf. »Eine eigene Motorsäge brauchen wir auf jeden Fall, und natürlich einen Hackstock, einen Sägebock, eine Axt und einen Spalthammer. Eventuell noch Keile, denn Obstbaumholz ist oft drehwüchsig und spaltet schwer.«
Ich war zu erschöpft für die Botschaft hinter diesen Worten. Ein paar Tage lang bewegte ich mich sehr sparsam. Der Dienst im Büro, sonst Quelle mancher Unzufriedenheit, erschien mir nun, nach einem Wochenende ausgiebiger Freiluftbetätigung, geradezu erholsam. Doch fünf Bürotage sind schnell vorbei. Schneller als mir lieb war, rückte das nächste Wochenende heran, und als mein Mann am Samstag mit dem Anhänger voller nagelneuer Gerätschaften vom Baumarkt zurückkam, wusste ich, dass ein glücklicher Lebensabschnitt vorbei war.
»Siehst du, der Anhänger lohnt sich bereits«, triumphierte er, während er liebevoll über die jungfräuliche Kette seiner frisch erworbenen Motorsäge strich. »Beim Sägen kannst du mir helfen«, schlug er ohne Arglist vor, »dann sind wir in einer Stunde fertig.«
Ich hatte eigentlich andere Pläne. Allerdings flüsterte mir die Stimme des Gewissens ins Ohr: Du kannst ihn schlecht allein auf dem Holz sitzen lassen, schließlich hilft er auch im Haushalt. Eine Stunde ist doch schnell vorüber.
Nach zwei Stunden hatten wir fast die Hälfte des Holzes in kurze Rundlinge gesägt. Meine Aufgabe bestand darin, die Holzstämme auf den Bock zu legen, festzuhalten und die gesägten Teile auf die Seite zu legen, damit mein Mann die laufende Motorsäge in der Hand behalten konnte. Nach dem Sägen kamen Spalthammer und Axt an die Reihe. Ich war überrascht, wie vieler Handgriffe es bedarf, um endlich ein ofengerechtes Scheit Brennholz vor sich zu haben. Kein Wunder, dass man an der Sklaverei so zäh festgehalten hat.
Bald türmten sich die Holzscheite vor der Haustür, wo man sie natürlich nicht liegen lassen konnte. Also fing ich an, die Stücke auf die Seite zu schaffen, um den Eingang frei zu räumen. Das ist keine große Sache. Im Fitnesscenter zahlt man viel Geld, damit man ein Zehntel so viele Rumpfbeugen machen darf. Aber man macht sie nicht in der Benzinwolke einer Motorsäge. Mir wurde schlecht von den Abgasen. Als die Bückerei ein Ende hatte, war noch das Sägemehl aufzukehren. Wohin damit? In die Komposttonne oder zum Restmüll? Egal – bei uns füllte es beide Tonnen, die erst in zehn Tagen wieder geleert werden sollten. Als es längst dunkel war, zogen wir die Arbeitskleidung aus. Das Holzmehl rieselte
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