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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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seine Leber die Akademie überlebt. Mein Tischgenosse tauschte einen genervten Blick mit mir und schlug sich auf meine Seite. »Der ist verheiratet. Kinder hat er auch schon«, wusste er, woher auch immer. »Außerdem ist ein griechischer Kapitän nichts Besonderes. Die meisten Kapitäne der großen Linien sind Griechen, Norweger und Holländer, aus den klassischen Seefahrtsnationen eben.«
    Das Gespräch an unserem Tisch kreiste während des Kapitänsdinners trotzdem nur um dieses glamouröse Thema, jeder Neustart von männlicher Seite war zwecklos. Die Damen hatten sich nach bewährter biologischer Manier für den Leitstier entschieden, uns zwei Hampelmännern blieb nur der Wein. Und nun erfuhr ich von meinem Sonnendecknachbarn, womit dieser griechische Schnösel seine Brötchen verdiente. Fürs An- und Ablegen, für eine einzige Stunde täglich. »Na Prost«, sagte ich sarkastisch, »wirklich ein netter Job.«
    Die monströsen Schwesterschiffe glitten in ein paar hundert Metern Abstand aneinander vorbei, lautlos wie Aufklärer und von beiden Fronten durch unzählige Sonnenbrillen neugierig verfolgt. Keine Kollision. Na ja. Irgendetwas musste der Grieche ja können.
    »Gehen Sie nicht an Land?«, wandte ich mich an meinen Landsmann, als die Kolumbussäule am Hafen vor uns auftauchte.
    »Gott bewahre, ich kenne Barcelona von früher«, wehrte er ab. »Bloß kein Aktionismus mehr! Ich werde nirgends an Land gehen.«
    »Nicht einmal in Lissabon? Es soll sehr hübsche Kaffeehäuser geben, wie in Wien.«
    »Ach Wien, dort hab ich zwei Jahre gelebt. Ich bin zu viel herumgekommen in meinem Leben, ich will nichts mehr sehen. Ich will nach Teneriffa und schnell wieder zurück. Mir reicht die Passage auf diesem Vergnügungsdampfer«, gab er mürrisch zu.
    »Hätten Sie es sich mit einem Flieger nicht leichter machen können?«, war mein Gedanke dazu. Flugangst, erfuhr ich. Das machte ihn mir noch sympathischer. Er wolle in Teneriffa nur seine ehemalige Gattin identifizieren und dann nichts wie heim.
    »Ist sie tot?«, fragte ich erschrocken.
    »Mausetot. Ein Verkehrsunfall«, antwortete der Mann ungerührt. Nach Trauer sah er nicht aus. Das Kondolieren verkniff ich mir deshalb.
    »Dann müssen Sie die Leiche wohl überführen lassen«, fiel mir dazu nur ein. »Kann man den Sarg aufs Schiff mitnehmen?« Die Vorstellung, dass die Leiche in einem Kühlraum unter uns zwischen Lammrücken und Schweinehälften vor sich hin bleichen würde, verlangte nach einem Whiskey. »Für Sie auch einen?«, bot ich an, als der Steward auf mein Zeichen hin antanzte.
    Er nickte. »Bevor Sie mich erschlagen, sag ich lieber ja. Aber ich kann Sie beruhigen. Der Sarg kommt nicht auf diesen Pott, das fehlte mir gerade noch. Wie beim Fliegenden Holländer wäre das ja, Sie wissen schon, der trieb ruhelos über die Weltmeere auf der Suche nach einer barmherzigen Seele, die ihn erlösen würde. Ich erlöse sie nicht, das muss die Gute schon selbst besorgen. Ich lass sie verbrennen, und die Urne kann man meinetwegen im Meer versenken. Bin froh, wenn ich selbst von dieser Frau erlöst sein werde. Prost! Auf die Toten! Mögen Sie uns in Ruhe lassen!«
    Was soll man darauf antworten? Ich war perplex. Der gute Mann merkte mir meine Verwunderung an. »Halten Sie mich nicht für einen eiskalten Grobian«, rechtfertigte er sich, »ich bin eigentlich ein ganz gemütlicher Zeitgenosse. Mittlerweile nur etwas abgestumpft. Das werden Sie verstehen, wenn ich Ihnen erzähle, was ich mit der Dame erlebt habe.« Er räusperte sich kurz, hob das Glas als Geste der Vertraulichkeit und berichtete von seiner Odyssee.

    Damals nannte sie sich Babe. Von Barbara, nicht von Baby, betonte sie, und ich fragte mich nicht, warum sie sich dann »Bäib« nannte. Ich lernte sie auf einer Umzugsfete kennen. In einer vom Abbruch bedrohten Sachsenhausener WG-Wohnung. Sie hatte Grund zu feiern. Ein Jahr lang hatte sie in einem Studentenwohnheim der Schwestern vom Barmherzigen Berg sittsam vor sich hin geschmort, bis ihr nun, endlich, der Einstieg in die APO-Szene gelungen war. Hausbesetzungen galten damals als der letzte Schrei unter den Soziologiestudenten. Babe hielt ihre Antennen gern auf den letzten Schrei ausgerichtet. Aber das sollte ich erst später erfahren.
    Wie war ich überhaupt auf diese Fete geraten? Ich, ein fleißiger Mathematikstudent, der alle zwei Wochen mit einem Koffer voller Schmutzwäsche heim zu Mama pilgerte. Wahrscheinlich war es reiner Zufall. Die typisch

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