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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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abendliche Wo-läuft-was-Lotterie von Vordiplomanden, die nicht wissen, wohin mit ihren Hormonen. Obwohl Sigmund Freud ja meinte, es gäbe keine Zufälle. Damals, Ende der Siebzigerjahre, fand die Weltveränderung noch in verräucherten Wohnfestungen durch exzessiven Ideenaustausch statt; also ganz kommunikativ bis hin zum gemeinsamen Joint. Nicht wie heute, wo die Welt von Autisten am Bildschirm verändert wird. Babe mit ihrem Marx auf dem Kopfkissen war für mich eine Offenbarung. Sie wiederum fand mich klasse, weil ich mit einer Bohrmaschine umgehen konnte und den vorsintflutlichen Sicherungskasten der WG dahingehend präparierte, dass er jeweils ab Mitte des Monats den Stromzähler rückwärtslaufen ließ. Die vier Genossinnen verbrauchten somit keine fünf Kilowatt Strom im Monat.
    »Stark, echt stark«, flötete Babe, als ich den Schraubenzieher niederlegte.
    Am Glanz ihrer Augen erkannte ich, dass sie bereit war. Frauen sind seltsam konservativ. Sogar die anspruchsvollsten Emanzen werden schwach, wenn ein Mann auftaucht, der die Waschmaschine reparieren kann. Ich tippe auf das Stammhirn. Irgendein Neuron aus unserer steinzeitlichen Vergangenheit, das gegen Trends in der Rollenverteilung resistent ist. Man sagt, nichts sei umsonst, alles habe seinen Preis. Preis? Davon konnte keine Rede sein. Ich, ein tumber Mathematiker ohne Wortschatz, hatte die Gunst der aufregendsten Frau der ganzen Fakultät erworben. Ein Glückspilz war ich und genoss an ihrer Seite die Bohème durchzechter Nächte zwischen Räucherstäbchen und wechselnden Gestalten.
    Dass die Küche einer Müllkippe glich und das Badezimmer aus einem Zinkbottich neben dem Kühlschrank bestand, bestärkte uns in dem Bewusstsein, einen neuen Lebensstil erfunden zu haben. Nur morgens, wenn man sich von klammen Matratzen vom Boden erhob und sich im eisigen Abort eine Blasenentzündung holte, dann wünschte man sich gelegentlich in die Behaglichkeit des alten, des überwundenen Lebensstils zurück, in zentralgeheizte Räume mit der Andeutung eines Warmwasserboilers.
    »Vielleicht wäre ein Hochbett die Lösung«, erwog Babe nach der dritten Blasenentzündung. Sie hatte, einem modrigen Geruch nachschnüffelnd, an der Unterseite der Matratze Schimmel entdeckt. »Du bist doch so geschickt. Vielleicht könntest du …?«
    Ein normales Bett kam natürlich nicht infrage. Zu bürgerlich. Ich ließ ein paar Seminare ausfallen und zimmerte ein Hochbett, das breit genug für Gruppensex gewesen wäre und ihren Mitbewohnerinnen so großes Entzücken entlockte, dass mir ein Akt der Solidarität angebracht erschien. Also zimmerte ich drei weitere Hochbetten. Natürlich ich , wer sonst? Die Bude füllte sich zwar allabendlich mit Scharen bärtiger Visionäre, aber für das Naheliegende hatten die kein Auge. Mein handwerkliches Geschick oder die Ansammlung von Hochbetten, genau lässt sich das nicht mehr ergründen, muss das emotionale Gleichgewicht unter den Genossinnen ins Wanken gebracht haben. Spannungen, Eifersüchteleien, ja Szenen der altmodischen, ganz reaktionären Art häuften sich. Hatte ich mich zu sehr eingebracht? Keine Ahnung. Babe jedenfalls fand die offene Gesellschaft auf einmal echt ätzend und überhaupt. Die ganze Bohème mit ihrer ungelösten Abwaschfrage hing ihr plötzlich zum Halse raus und entfachte in ihr den Drang nach einem neuen Lebensstil.
    »Eigentlich könnten wir es so schön haben, nur wir zwei …« Wer kann einer solchen Liebeserklärung widerstehen? Also zogen wir in eine Dachwohnung, die wirklich nur Platz für uns beide und unser privates kleines Glück bot. Die schwarz lackierten Weinkistenregale aus WG-Tagen landeten auf dem Sperrmüll. Sie stellte sich nun warme Holztöne im Schwedenstil vor, denn IKEA trat damals auf den Markt. Mir waren Stil und Tönung egal, Hauptsache, sie war glücklich. Und das war sie. Auf den Fenstersimsen zog sie Küchenkräuter, an der Wohnungstür befestigte sie ein selbst getöpfertes Schild mit unseren Vornamen. Wir studierten fleißig. Abends glotzten wir vom Bett aus Fellinifilme, und zwischendrin sahen wir nach der Backröhre, ob das Moussaka schon knusprig war. Ein gutes Leben, so schien es mir. Ich hätte bis in alle Ewigkeit so weitermachen können. Aber was wissen Männer vom wahren Leben!
    »Findest du nicht auch, dass Frankfurt entsetzlich pragmatisch ist, so pseudoamerikanisch?«, fragte sie mich eines Abends, nachdem wir uns den Film Servus Bayern reingezogen hatten. Nein, wenn ich ehrlich

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