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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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um sicherzugehen. Dann ließ ich mir mein viertes Bier neben dem Pool servieren und atmete durch. Salsa-Musik schwebte über den Aerosolen der Meeresbrise, Möwen gierten nach Kuchenbröseln. Kaiserwetter. Die Erholung konnte nun wirklich beginnen.
    Bald darauf kam Land in Sicht. Barcelona wurde angesteuert. Um mich herum schon wieder hektische Betriebsamkeit. Fast alle Frauen unter siebzig packten ihre Sonnenmilch ein und verschwanden. Ach ja, Barcelona gilt als Einkaufsparadies, hatte ich in meinem Kreuzfahrtführer geschrieben. Von den Männern blieb etwa ein Drittel an Bord. Sie hatten Gläser vor sich, die niemals leer wurden, dafür sorgten aufmerksame Stewards. Zwar hoffte ich, zu Beginn der Reise einen Aufriss zu machen, um so lange wie möglich etwas davon zu haben, aber mit den shoppenden Weibern durch Läden ziehen, das wollte ich mir nicht antun. Das taten sich ja nicht einmal die Ehemänner an, wie man sah.
    Neben mir griff ein Herr zum Fernglas, das aufgeklappte Taschenbuch rutschte ihm vom Schoß. Ich schielte nach dem Titel. Steuern sparen für Trinker. Sofort fühlte ich mich dem Mann verbunden. Autor und Leser auf einer Wellenlänge, da kommt Freude auf. Seine Haut war so blass wie meine, auf den Schultern bahnte sich ein Sonnenbrand an. Offenbar auch kein Urlaubsprofi, ebenso wenig wie ich. Auch das machte ihn mir sympathisch.
    Ich war seit knapp zwanzig Stunden auf der MS Fortuna, aber bereits deutlich versaut. Vorurteile, Antipathien, Aggressionen nahmen in dem Maß zu, wie ich meine Mitmenschen beobachten und Gesetzmäßigkeiten feststellen konnte. Die Urlaubsprofis an Bord waren mit einem einzigen Blick zu erkennen. Ihr Teint zeigte eine Grundbräune, die auch ein germanischer Winter nicht mehr ausradieren konnte. Sie waren immer auf Sendung, das heißt ohne Besinnung am Quatschen. Entweder um mit Gleichgearteten wertvolle Adressen und Geheimtipps auszutauschen oder um über so blutigen Anfängern wie mir ihre gesammelten Urlaubserfahrungen auszukippen, eine Art verbaler Darmreinigung. Und, drittes Kriterium: Sie sind die schnellsten. In allem. Den anderen immer um eine Nasenlänge voran. Richtige Alphatiere. Man kann sie nicht lieben, man erträgt sie kaum, aber insgeheim beneidet man sie um ihre Gewinnchancen. Und für diesen Neid schämt man sich selbst.
    Barcelona rückte näher, ein Eisberg verließ den Hafen. Mein Leser hielt mir sein Fernglas entgegen. »Wollen Sie auch mal durchblicken?«, bot er an. Ich wollte. Der Eisberg entpuppte sich durch die Linse als weißer Riesendampfer, wie ein Eisbrecher durchbrach sein kolossaler Bug die gläserne Fläche des Meeres.
    »Unser Schwesterschiff, die MS Vanita«, klärte mich mein Nachbar auf. Es nahm Kurs auf uns mit der Beharrlichkeit eines Zerstörers. »Jetzt kriegt der Captain seine Chance. Wussten Sie, dass er das Schiff nur bei der Einfahrt in den Hafen und bei der Ausfahrt selbst steuert?«, erfuhr ich. »Netter Job, was?«
    Anlässlich des Kapitänsempfangs am Vorabend hatten wir beim Dinner die Ehre gehabt, Herrn Aristiadis persönlich zu Gesicht zu bekommen. Mit attischer Arroganz schritt er durch den Saal, umgeben von seinen Offizieren, und streute ein paar englische Begrüßungsfloskeln unter das Volk, das dem schmucken Hellenen die Bewunderung entgegenbrachte, die olympische Götter erwarten. Das Ganze glich dem Auftritt eines sieggewohnten Feldherrn hoch zu Ross, wenn er vor der Schlacht letzte Order an seine Feldwebel erlässt. Mir hierarchieresistentem Renegaten hatte es fast den Appetit verschlagen, und ich glaube, dem einzigen anderen Mann an unserem Tisch missfiel diese Visite ebenfalls.
    Aber die Damen! Wenn sie eine weiße Uniform sehen mit so einem feschen Kerl drin, schmelzen sie dahin. Emanzipation hin oder her, da bricht das Weibchen durch, das den stärksten Löwen wittert. An meinem Tisch Nummer 89 saßen sechs Mädels, allesamt Singles zwischen Mitte zwanzig und fünfzig. Also durchaus meine Zielgruppe. Denkste! Ich war plötzlich Luft für die Schnepfen. Ob der Captain wohl verheiratet sei, fragten sie sich untereinander. Mit präkoital glasigen Augen hingen sie an den Lippen dieses Masters next God wie die Fans seinerzeit an jenen Elvis Presleys. Aber der hatte immerhin anständige Musik zu bieten. Was hatte denn dieser pomadisierte Lackaffe, dieser Mister Arthritis (wie ich ihn insgeheim nannte), zu bieten? Ein Kapitänspatent. Das hat in seiner nautischen Heimat jeder zwanzigste Brillenlose aufzuweisen, wenn

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