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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Sklavenjob nicht. Ich habe eine bessere Idee.« Und dann breitete ich meinen Plan vor ihr aus. Ich bin Germanist, arbeite allerdings nicht als Taxifahrer, sondern für verschiedene Institutionen freiberuflich als Schreiber. Treffender gesagt als Schreiberling. Als namenloser Verfasser von Texten, die kein Schwein liest, höchstens während der Kaffeepause überblättert. Jahresberichte, Rundbriefe und Newsletter, im Fachjargon »Graue Literatur« genannt, de facto Altpapier. Das ist so spannend wie die Farbe Grau und reicht gerade zum Überleben. Die Kreativität geht dabei vor die Hunde, ist sogar ein Hindernis. Viel lieber würde ich Romane schreiben, aber das ist brotlos, das kann ich mir nicht leisten.
    »Was fällt dir auf, wenn du unser Bücherregal mal genau unter die Lupe nimmst?«, fragte ich Lena und zeigte auf die vielen Regalmeter Literatur, die sich in den Jahren angesammelt hatten. Romane, Reiseführer für Rucksacktouristen, Kochbücher, Ratgeber, Kunstbände, Cartoons, Lexika und manches mehr.
    »Hier sollte mal wieder abgestaubt werden, fällt mir auf.«
    »Ein andermal. Jetzt geht es um Inhalte. Was fehlt in diesem Sortiment?«
    »Na ja, zum Thema Geldanlage oder Immobilienerwerb sehe ich leider nichts. Auch keinen Hotelführer für Ayurvedaresorts oder Safarireservate«, lästerte meine Frau.
    »Wart’s ab! Eines Tages … ganz sicher«, vertröstete ich sie und fuhr fort in meinem Ratespiel: »Eine bedeutende soziologische Gruppe unserer Bevölkerung ist hier nicht berücksichtigt, das muss dir doch auffallen!«
    Sie seufzte. »Die Kinder, ich weiß.« Ihre biologische Uhr tickte nach jedem Geburtstag lauter.
    »Eine größere Gruppe«, half ich ihr auf die Sprünge. »Quer durch die Schichten und Generationen. Du siehst sie überall, unsere Gesellschaft ist geradezu durchtränkt davon.«
    »Doch nicht etwa die Fußballfans?« Sie stöhnte genervt.
    »Na gut, ich verrate es dir. Es sind die Trinker.«
    »Mann, mir reicht mein Rausch von vergangener Nacht. Erinnere mich nicht daran!«
    »Du schwächelst, meine Liebe. Reiß dich zusammen und sieh der Wahrheit ins Auge: Es gibt Millionen von Trinkern, aber es gibt keine Trinkerliteratur. Das ist die Marktlücke. Wir werden sie füllen.«
    »Trinkerliteratur?! Auf den Spuren großer Trinker , also Fallada, Hemingway & Co. … – meinst du das?« Sie pustete verächtlich. »Wer soll das lesen außer einer Hand voll Literaturwissenschaftler? Die breite Masse trinkt doch lieber selbst.«
    »Eben. Eine Reiseführer-Reihe für Selbst-Trinker könnte einschlagen wie ein Blitz. Kuba für Trinker, Das Mostviertel für Trinker , Jakobsweg für Trinker … um nur Beispiele zu nennen.«
    »Jakobsweg, Mann! Da wollte ich schon immer mal hin. Lass uns gleich morgen die Rucksäcke packen und den nächsten Zug in die Pyrenäen nehmen …« Die Augen meiner Frau leuchteten auf wie lange nicht mehr.
    »Moment!« Ich musste ihr eine Illusion nehmen. »Ich habe nicht vor, die Gebiete zu bereisen, über die ich einen Reiseführer schreiben werde. Das kostet unnötig Zeit und Geld.«
    »Aber wir können doch nicht von etwas berichten, was wir nicht kennen«, musste ich mir sagen lassen.
    »Natürlich können wir das. Es geht bei dieser Art Reiseliteratur nicht um Inhalte. Es geht darum, Träume zu wecken und Bedürfnisse anzusprechen. Sobald der Kunde das Buch gekauft hat, ist unsere Mission erfüllt.«
    »Aber der Kunde erwartet doch Informationen, die ihm helfen, sich auf der Pilgerreise zurechtzufinden«, beharrte sie.
    »Kein Problem«, beruhigte ich sie. »Wir werden online nach Bodegas recherchieren, unsere trinkfreudige Zielgruppe auf den ersten Etappen in Spelunken versumpfen lassen, und der Rest der Pilgerreise erledigt sich von selbst. Vergiss nicht: Unsere Klientel sind Trinker. Nach der ersten Flasche Rioja verschwimmen ihnen die Zeilen. Die werden unser Buch nicht wie Erbsenzähler auf exakte Angaben hin überprüfen. Die brauchen bloß einen Aufhänger, um sich beherzt auf den Weg zu machen und unterwegs ohne schlechtes Gewissen ihrem Laster zu frönen. Die brauchen nichts als ein Motiv für diese Reise, und genau das liefern wir ihnen.
    Wir holen uns die nötigen Streckeninformationen aus seriösen Reiseführern und aus dem Internet. Diese verbrämen wir mit netten Trinksprüchen auf Spanisch sowie regionalen Weinempfehlungen, unterfüttern die Broschüre noch mit Erste-Hilfe-Tipps für Trinker, Gebeten für Trinker, Zechliedern. Und dann streuen wir ein

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