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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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ich ihr entgegenhalten, aber damit sollte ich nicht prahlen.
    Drei Tage vor Abflug hatten wir die Wahl zwischen Mallorca, Sizilien und Somalia.
    »Somalia, ich bin doch nicht wahnsinnig«, argumentierte Albin aufgebracht. »Fasten kann ich auch daheim.«
    »Ich hab ja gar nichts gesagt. Aber Mallorca tu mir nicht an! Bitte. Mallorca im November ist wie Bad Wörishofen. Lauter Verzweifelte.«
    »Soll das heißen, du willst nach Sizilien? Dort braucht man eine Waffe. Glaub mir.«
    Es stimmt. Eine Waffe ist einfach das stärkere Argument. Vor allem bei Grundsatzdiskussionen.
    Nie hätte ich gedacht, dass sich die Borniertheit des Stieres dermaßen durchsetzen könnte. Dass sich mein viel versprechender Novemberflirt in der Fremde als deutscher Spießer entpuppen würde. Bereits am Flughafen Palermo nachts um elf rastete er aus. Eins seiner Gepäckstücke fehlte auf dem Rollband. Das mit der Unterwäsche.
    »Andere Länder, andere Sitten«, besänftigte ich ihn in ungebrochener Urlaubsstimmung und empfahl ihm, ein paar Scheine an das Personal zu verteilen, wenn er den Vorgang beschleunigen wolle. Das wisse doch jedes Kind.
    »Kommt nicht in die Tüte!«, wetterte er und beharrte auf dem EU-Status. »Keine Bestechungsgelder in Euroland, wo kämen wir denn da hin?«
    Wohin er mit seiner teutonischen Prinzipientreue gekommen wäre, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich nach zwei Stunden seine Maulerei nicht mehr ertrug und den Obulus aus meiner Reisekasse leistete. Nun ja. Wie es weiterging? In Taormina grummelte er gegen den Ätna an, weil die Seilbahn Betriebsferien hatte, und in Messina war ihm die Minestrone zu salzig. Agrigent kam ihm verfallen vor, in Marsala wurde ihm schlecht vom Wein. In Siracusa missfiel ihm das orientalische Verkehrschaos, das Binnenland war ihm zu ausgestorben, und in Catania, wo die Kellner ein wenig saisonmüde vor sich hin träumten, schimpfte er auf das faule Pack.
    Cefalù ist wie geschaffen für Flitterwöchner, lauschige Lokale zwischen verblühendem Weinlaub – und ein Panoramablick! Zum Sterben schön. Ich weiß nicht, was ich mehr genoss: die Aussicht von unserem Tisch über die Bucht hinweg, den samtigen Donnafugata oder das, was uns auf dem Teller geboten wurde. »Allein diese Kastaniengnocchi sind es wert, nach Italien zu fliegen!« Ich schwelgte in Wohlbehagen und öffnete diskret den obersten Jeansknopf.
    Albin jedoch biss sich an der Rechnung fest, deren einzelne Posten er wie ein Steuerprüfer auf seinem Taschenrechner addierte. »Unverschämt, sogar das Gedeck extra zu berechnen! Soll man die Suppe vielleicht aus der hohlen Hand löffeln?«, knurrte er und wollte sich das Wechselgeld auf den Cent herausgeben lassen, obwohl der Kellner charmant war und uns einen Grappa spendiert hatte.
    »Komm, lass es gut sein!« Ich schickte mich zum Gehen an. Er blieb sitzen und beharrte auf seinem Restgeld. Das war vielleicht ein Akt! Der Kellner sauste in die Küche, der Koch zum Padrone, der Padrone eilte zu seiner Geliebten, die Geliebte zu ihrem Bruder, dem Portier der Banca della Santa Trinità, der nach einer Stunde etwas zerzaust die restlichen Münzen auf den Tisch zählte und wissen wollte, woher wir kämen.
    Ich genierte mich und schwindelte: »Svizzera«, aus der Schweiz kämen wir, Basel fiel mir ein, wegen dem Saukerl damals in Marokko. Aber anscheinend verstand Albin das Wesentliche des Gesprächs. »Frankfurt«, korrigierte er mich selbstbewusst, »wir sind Deutsche, aus Germania«, und ich hätte in den Erdboden versinken mögen.
    Spätestens da wurde mir klar, dass es an der Zeit für einen Entschluss war. Natürlich ist eine Waffe von Vorteil in Sizilien. Keine Frage. Da hatte er recht. Zumindest in diesem Punkt waren wir uns einig. Um die romanische Kapelle, oben, auf der Rocca delle Lacrime, dem Fels der Tränen, rankt sich eine der vielen herzergreifenden Liebesgeschichten Siziliens. Ich habe ein Faible für Romanzen, auch solche mit tragischem Ausgang. Das ist das Leben, sage ich immer. Es wäre nichts, wenn es den Tod nicht gäbe.
    Den steilen Pfad zur Kapelle muss man mühsam erklimmen, aber der Aufstieg zwischen wildem Fenchel, Thymian und Aleppokiefern lohnt sich. Wenn man im Inneren des schlichten Raumes sitzt, geborgen in einem Kokon von Stille und architektonischer Anmut, fühlt man sich leicht. Als wäre das Leben bereits bewältigt. Nicht so, als wäre es vorbei. Ganz im Gegenteil. So, als hätte man es noch in seiner ganzen Fülle vor sich. Ohne das Wissen

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