Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
Vom Netzwerk:
um misslungene Versuche, ohne die Sorge um künftiges Gelingen. Ein Ort der Harmonie hat metaphysische Kraft. Er verströmt das Gefühl von Ewigkeit.
    Albin konnte nicht ahnen, welche Kraft einem von Gotteshäusern zufließt. Sie dienten ihm höchstens als Motiv für seine Nikon. Die Kamera gab ihren Geist auf, bevor die Motive in dieser Weitwinkellandschaft ausgeschöpft waren. Und ich hatte versäumt, den Akku aufzuladen, beschuldigte er mich. Dabei fotografiere ich selbst gar nicht. Seine Vorwürfe schlugen mir wie ein atlantisches Sturmtief entgegen, als ich aus der Kapelle heraus in den spätherbstlichen Sonnenuntergang eintauchte, noch ganz beseelt von der Magie dieser zeitlosen Stätte. Es ist so traurig, wenn Menschen keinen Sinn für das Erhabene haben, wenn sie sich dem Glück verweigern – das kann nicht im Sinne der Schöpfung sein. Man muss solchen Menschen helfen, ist meine Meinung. Da brach natürlich die Jungfrau in mir durch. Man sagt unsereins gerne ein Helfersyndrom nach, aber auch, dass wir das Leben mit beiden Händen anpacken.
    Es war ganz leicht. Ich sehe noch immer den Ausdruck einer Erkenntnis auf seinem Gesicht, in jener Sekunde, als sein Leben diese unerwartete Wendung nahm. Fast möchte ich sagen, einen Ausdruck des Staunens. Gerade so, als hätte er letztlich doch noch einen Blick auf das Erhabene, Wesentliche erhascht, als habe sich ihm der Sinn der Schöpfung offenbart. Ja, wir Jungfrauen verstehen unser Handwerk, wir sind tatkräftig und manchmal von unerschrockener Klarsicht.
    Aber ich gebe zu, dass auch wir mitunter das Wesentliche aus den Augen verlieren können. Erst hinterher fiel mir der Autoschlüssel ein. Das hätte nicht passieren dürfen. Nun war er weg. In Albins Lederjacke, über der sich gerade die Wellen schlossen. Ein bisschen zitterten mir dann schon die Knie beim Abstieg. Es ist ein Unterschied, ob man bei Sonnenschein in Begleitung des Fidanzato, des Zukünftigen, einen Aussichtsfelsen erklimmt, der im Michelin-Führer als malerisch apostrophiert wird, oder ob man in der Dämmerung den steilen Rückweg ganz alleine antritt. Das Auto unten konnte ich vergessen ohne Schlüssel. Bis Cefalù waren es zehn Kilometer Landstraße in finsterer Nacht. Zu Fuß. Nur ein einziges Auto begegnete mir. Es war der Portier der Banca della Santa Trinità.
    »Ganz allein, Signorina?« Er räumte die Geldrollen vom Beifahrersitz nach hinten und hieß mich einsteigen. »Wo haben Sie denn Ihren Fidanzato gelassen?«
    Ich deutete in die Nacht hinaus, dahin, woher ich kam. »Er war nicht schwindelfrei, der Arme«, seufzte ich und gestand ihm mein Missgeschick mit dem Autoschlüssel. Der Portier verstand sofort. Er fuhr mich zum Auto zurück und zeigte mir mit wenigen Handgriffen und reichlich Kommentaren in seiner melodischen Sprache, wie man ein Auto ohne Schlüssel öffnet und startet. Seitdem lasse ich nichts über die Sizilianer kommen.
    Allerdings, wer behauptet, in Sizilien brauche man eine Waffe, dem muss ich recht geben. Das bestätigte mir auch mein hilfsbereiter Portier. Er steckte mir zum Abschied eine Karte zu mit der Adresse eines Waffenhändlers im Hinterland. »Er ist ein Cousin meines Schwagers«, erklärte er vertraulich. »Sagen Sie ihm, ich empfehle Sie. Dann bekommen Sie Rabatt. Wissen Sie, Signorina, eine hübsche Frau wie Sie sollte nicht im Dunkeln auf Felsen herumklettern. Das ist zu gefährlich. Sie sehen ja, was passieren kann. Es gibt einfachere Wege. Denken Sie daran, wenn Sie mal wieder ein kleines Problem haben.«
    Zu Hause in der nasskalten Heimat erwartete mich meine beste Freundin mit Punsch und Lebkuchen zu einem richtig gemütlichen Weiberabend. »Deine Kids sind spitze. Die kommen zurecht. Aber jetzt erzähl du mal!« Ihre Augen funkelten vor Neugier. »Wie war es dort?«
    Nun, was sollte ich darauf antworten? Der Punsch brachte mein Gesicht zum Glühen. »Sizilien hat was Morbides. Vor allem im November.«
    Ich bewegte mich nicht. Wie ein im Bernstein erstarrter Käfer verharrte ich in meiner Salzlauge und wagte kaum zu atmen. Bloß nicht auffallen! Diese Jungfrau war zu allem fähig. Für einen Augenblick war nur das Glucksen des Wassers und das Zischen aus Dampfdüsen zu vernehmen. Der flackernde Kerzenschein ließ das Gehörte für mich noch schauriger erscheinen. Ich wollte schleunigst hier raus, als unerkannter Ohrenzeuge, ich wollte dieser Astro-Schnalle nicht in die Fänge geraten.
    Was war los mit den Frauen? Sie waren doch von der Schöpfung als

Weitere Kostenlose Bücher