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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniil Charms
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Topf und stellte ihn auf den Fußboden. »Verdammter Mist!«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Ich hab vergessen, Wasser in den Topf zu tun, der Topf ist emailliert, und nun ist die Emaille abgeplatzt.« »Ach so«, sagte ich und nickte. Wir setzten uns wieder an den Tisch. »Egal«, sagte Sakerdon Michailowitsch, »essen wir die Bockwürste eben kalt.« »Ich hab richtig Kohldampf«, sagte ich. »Greifen Sie zu«, sagte Sakerdon Michailowitsch und schob mir die Bockwürste hin. »Ich hab nämlich gestern zum letzten Mal was gegessen, als ich mit Ihnen in der Kellerkneipe war, und seitdem keinen Bissen mehr.« »Ja, ja, ja«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Ich habe die ganze Zeit geschrieben«, sagte ich. »Donnerwetter!«, rief Sakerdon Michailowitsch total übertrieben aus. »Sehr angenehm, einem Genie gegenüberzusitzen.« »Das will ich meinen!«, sagte ich.
    »Da haben Sie wohl eine ganze Menge zusammengekritzelt?«, fragte Sakerdon Michailowitsch. »Ja«, sagte ich. »Ich hab eine Unmenge Papier vollgeschrieben.« »Auf das Genie unserer Tage«, sagte Sakerdon Michailowitsch und erhob sein Glas. Wir tranken aus. Sakerdon Michailowitsch aß von dem gekochten Fleisch und ich Bockwürste. Nachdem ich vier davon verspeist hatte, zündete ich meine Pfeife an und sagte: »Wissen Sie, ich bin ja zu Ihnen gekommen, um mich vor Verfolgung zu retten.« »Wer hat Sie denn verfolgt?«, fragte Sakerdon Michailowitsch. »Eine Dame«, sagte ich. Da Sakerdon Michailowitsch nicht nachhakte, sondern nur wortlos Wodka einschenkte, fuhr ich fort: »Ich habe sie im Brotladen kennengelernt und mich Hals über Kopf in sie verliebt.« »Hübsch?«, fragte Sakerdon Michailowitsch. »Ja«, sagte ich, »genau mein Typ.« Wir tranken, und ich fuhr fort: »Sie hat eingewilligt, mit zu mir zu kommen und Wodka zu trinken. Wir sind in ein Geschäft gegangen, aber dann musste ich still und leise das Weite suchen.« »Hatten Sie nicht genug Geld?«, fragte Sakerdon Michailowitsch. »Nein, das Geld hat knapp gereicht«, sagte ich, »aber mir ist eingefallen, dass ich sie nicht in mein Zimmer lassen kann.« »Wieso das denn nicht, hatten Sie eine andere Dame bei sich im Zimmer?«, fragte Sakerdon Michailowitsch. »Ja, wenn Sie so wollen, befindet sich in meinem Zimmer eine andere Dame«, sagte ich lächelnd. »Zurzeit kann ich niemanden in mein Zimmer lassen.« »Sie sollten sie heiraten. Dann laden Sie mich zum Essen ein«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Nein«, sagte ich, prustend vor Lachen. »Diese Dame werde ich ganz gewiss nicht heiraten.«
    »Na, dann eben die aus dem Brotladen«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Warum wollen Sie mich eigentlich dauernd verheiraten?«, sagte ich. »Was dagegen?«, sagte Sakerdon Michailowitsch und füllte die Gläser. »Auf Ihre Eroberungen!« Wir tranken. Offensichtlich tat der Wodka allmählich seine Wirkung. Sakerdon Michailowitsch nahm die Pelzmütze mit den Ohrenklappen ab und schleuderte sie aufs Bett. Ich stand auf und spazierte im Zimmer herum, bereits mit einem gewissen Schwindelgefühl. »Wie stehen Sie zu Verstorbenen?«, fragte ich Sakerdon Michailowitsch. »Absolut ablehnend«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Ich habe Angst vor ihnen.« »Ja, ich kann Verstorbene auch nicht leiden«, sagte ich. »Wenn mir ein Verstorbener unterkäme, der nicht mit mir verwandt ist, ich würde ihm wahrscheinlich einen Tritt verpassen.« »Nach Toten soll man nicht treten«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Ich würde ihm eins mit dem Stiefel mitten in die Fresse geben«, sagte ich. »Verstorbene und Kinder kann ich nicht leiden.« »Ja, Kinder sind die Pest«, stimmte Sakerdon Michailowitsch zu. »Und was ist Ihrer Meinung nach schlimmer – Verstorbene oder Kinder?«, fragte ich. »Kinder wahrscheinlich, sie stören uns öfter. Verstorbene fallen jedenfalls nicht in unser Leben ein«, sagte Sakerdon Michailowitsch. »Tun sie doch!«, rief ich und verstummte sofort wieder. Sakerdon Michailowitsch sah mich aufmerksam an. »Wollen Sie noch einen Wodka?«, fragte er. »Nein«, sagte ich, hielt inne und fügte hinzu: »Nein danke, für mich keinen mehr.«
    Ich ging zum Tisch und setzte mich. Wir sprechen eine Weile nicht. »Ich möchte Sie etwas fragen«, sage ich endlich. »Glauben Sie an Gott?« Auf Sakerdon Michailowitschs Stirn bildet sich eine Querfalte, und er sagt: »Es gibt so etwas wie schlechten Stil. Schlechter Stil ist es, jemanden um fünfzig Rubel anzupumpen, wenn Sie gesehen haben, wie er gerade

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