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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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war jederzeit bereit, mit ihm zu reden. Aber wahrscheinlich war das zwischen uns nicht mehr möglich. Wenn er sich nicht meldete, war das sein Problem. Erst Tage später ließ die Anspannung nach.
    Ich war nicht stolz auf das, was ich getan hatte, ich fühlte mich aber auch nicht schuldig.
    *
    Die Musikszene brachte die Geschichte Anfang Februar.
    Laut Impressum definierte sich das Hochglanzmagazin, das seit mehr als dreißig Jahren wöchentlich erschien, als »Fachzeitschrift für alle, die im deutschsprachigen Raum mit Musik zu tun haben, sei es mit Tonträgern, im Management oder auf der Bühne.«
    Mit knapp zehntausend Exemplaren pro Ausgabe war die Auflage klein. Dennoch wurde die Musikszene, die es nicht am Kiosk zu kaufen gab, von den Entscheidungsträgern in den Chefetagen der Musikindustrie gelesen. Plattenbosse, Manager, Veranstalter und Journalisten gehörten zu den Abonnementen, sie alle würden von Marks Songdiebstahl erfahren.
    Der Artikel traf ins Herz der Branche.
    »Unglaublich, was Sie da ausgegraben haben. Clever, dass Sie Ihre Recherche mit einem Gutachten untermauert haben, sonst könnten wir Ihren Artikel nicht veröffentlichen. Normalerweise bringen wir solche sensationsheischenden Storys nicht. Aber hier führt kein Weg mehr daran vorbei«, sagte der Chefredakteur, der sich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub auf meine Mail hin gemeldet hatte.
    Die Geschichte wurde auf dem Titel angekündigt (»Der geklaute Hit«). Der Artikel begann auf Seite vier und ging über drei Seiten, mit einem Foto von Mark, auf dem er eine gerahmte Goldene Schallplatte in der Hand hielt. Es gab noch eine Porträtaufnahme von Professor Strenger und einen Abdruck von Andis Notenblatt über eine komplette Seite.
    Ein Zitat von Strenger (»Die Übereinstimmung ist eindeutig und musikwissenschaftlich belegt«) wurde zudem farblich unterlegt hervorgehoben. Unter dem Artikel prangte mein Name, mit kurzen Angaben zur Person. Auf Seite zwei begründete der Chefredakteur in einer Stellungnahme, warum er sich zum Abdruck der Story entschlossen habe: »... um Schaden von der Branche abzuwenden und dazu beizutragen, dass solchen Machenschaften, nämlich dem Diebstahl geistigen Eigentums, das Handwerk gelegt wird.« Sie veröffentlichten Text und Fotos außerdem auf ihrer Homepage und gaben eine Eilmeldung, zu der ich die Erlaubnis erteilt hatte, an die dpa weiter.
    Das Heft erschien an einem Montag. Am Nachmittag meldete sich ein Redakteur einer großen Sonntagszeitung. Er brachte es in der nächsten Ausgabe mit Anreißer auf der Titelseite. Der Kollege aus dem Ressort »Show & Entertainment« wollte ein Interview mit mir. Ich bat ihn, mich ganz rauszuhalten, ich hätte kein Interesse, prominenter in Erscheinung zu treten.
    Er hielt sich daran. In dem Artikel schrieb er von einem Frankfurter Journalisten, der die ganze Sache aufgedeckt hätte. Ein Statement von Professor Strenger fehlte auch nicht. Weiter hieß es, Mark sowie seine Plattenfirma seien zu einer Stellungnahme nicht bereit gewesen.
    Nach dieser Geschichte klingelte das Telefon ununterbrochen. Besonders die Fernsehjournalisten waren lästig. Sie hatten eine enorme Ausdauer, das musste man ihnen lassen. Die ersten Anrufer wimmelte ich noch freundlich ab. Doch als dann erst ein Volontär, danach der Redakteur und schließlich auch noch der Ressortleiter eines Privatsenders hintereinander ihre Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterließen, hatte ich es dicke und zog den Stecker heraus.
    Trotzdem schusterten sie sich irgendetwas zusammen, ihre Sendungen mussten ja mit Material gefüllt werden. Zwei Wochen lang gab es auf dem Boulevard kein anders Thema.
    Der Songdiebstahl des Jahrhunderts.
    Selbst überregionale Tageszeitungen kamen nicht daran vorbei und berichteten in ihren Feuilletons.
    Eine solche Aufregung hatte es seit Milli Vanilli nicht mehr gegeben. Ihr Produzent Frank Farian hatte bekanntlich ihre Liedchen von erfahrenen Studiomusikern singen lassen, die Vanilli-Typen durften lediglich im Video und auf der Bühne zum Playback rumhampeln. Wenigstens war Farian so intelligent gewesen und hatte den Schwindel Jahre später zugegeben.
    Mit Marks offensichtlichem Songklau aber hatte die deutsche Popindustrie jetzt ihren größten Skandal. Zu dieser Ansicht verstiegen sich auch die großen Montagsmagazine. Von Mark selbst gab es kein Lebenszeichen, er war wohl abgetaucht, die Zeitung mit den großen Buchstaben spekulierte, er habe sich nach Miami abgesetzt, wo er

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