Trips & Träume
gestritten, und eine abschließende Meinung gab es nicht. Für eine bestimmte Phase der künstlerischen Entwicklung konnte es gutgehen, neue Horizonte schienen sich zu eröffnen.
Charlie Parker, der frühverstorbene Bebop-Pionier, war die letzten Jahre seines Lebens auf Heroin. Ganz Schlaue meinten, da hätte er besonders gut gespielt. Aber war das nicht letztlich eine Beleidigung von Parkers Können, so etwas zu behaupten? Mit oder ohne Drogen, Parker blies das Altsax auf einem atemberaubend hohen Niveau.
Über Miles Davis, den Trompeter, hatte ich kürzlich gelesen, dass er seine Drogensucht überwunden habe. Mit oder ohne Drogen, Davis’ Werk gehörte zum Besten im Jazz.
Mal davon abgesehen, dass mein geliebter Krautrock durch und durch drogengeschwängert daherkam, gab es jede Menge Songs über Drogen: »White Rabbit« von Jefferson Airplane, »Purple Haze« von Jimi Hendrix, »Cold Turkey« von der Plastic Ono Band, »Heroin« von Velvet Underground, um nur die zu nennen, die mir spontan einfielen. Selbst die Small Faces hatten ihren Drogensong mit »Here Come the Nice«. Fats Waller, der dicke Jazz-Pianist, huldigte einst mit »The Reefer Song« dem guten alten Gras.
Mark und seine Jungs hatten ganz andere Sorgen. Sie mussten erst mal überhaupt einen Song hinbekommen.
Zum Glück hatten sie Gero. Er war jemand, der für Ausgleich sorgte.
Gero war bei Dreamlight der ruhende Pol. »Beruhigt euch. Lasst es uns einfach noch mal probieren. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.«
Ich klinkte mich aus, wollte ihren Streitereien nicht mehr folgen und schaute mich im Proberaum um. Die Wände des Kellers waren tatsächlich mit Eierkartons zugepappt, die nackte Glühbirne war verschwunden, dafür hing an der Decke eine Baulampe. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt.
Irgendwie gemütlich.
Mark hatte sich mit seinem Schlagzeug an der Längsseite des Kellers, genau in der Mitte der Wand, aufgebaut. Trat man durch die schwere Eisentür, blickte man zuerst auf ihn.
An der Stirnseite stand ein Sofa vom Sperrmüll. Dort saß ich und machte mir Notizen. Jemand vom großen Regionalblatt, das auch ein Büro in unserem Kaff unterhielt, hatte meinen Artikel in Das Auge gelesen. Don stand im Impressum, also wurde er angerufen, und man erkundigte sich nach dem Autor von Rock Power gegen grauen Spießermief.
Jetzt sollte ich etwas »Seriöses« über die junge Musikszene in der Stadt schreiben. Mein erster Auftrag für eine richtige Zeitung. Zweihunderttausend verkaufte Exemplare. Dagegen konnte Das Auge mit seiner Fünfhunderter-Auflage nicht anstinken.
Ich war die Verhandlungen wie ein Profi angegangen.
Der Typ am Telefon stellte sich mit Schirmer vor und entpuppte sich als Leiter der Lokalausgabe. Klar, sagte er, Honorar würde es geben, er brauche sechzig Zeilen zu je dreiunddreißig Anschlägen, und zwar bis Montag, und weil ich mich anscheinend auskenne, würde er mir fünfzig Pfennig pro Zeile geben. Das mache dreißig Mäuse für den Artikel, mehr sei nicht drin. Für Anfänger gebe es sonst nur die Hälfte. Er käme mir da schon sehr entgegen.
»Fünfzig Mark«, sagte ich dem Honorarfuchs.
Ich merkte, wie Schirmer am anderen Ende der Leitung schluckte, doch dann willigte er ein. Anscheinend wollte er den Artikel wirklich. Jetzt habe ich mich an die bürgerliche Presse verkauft, dachte ich.
Ich guckte mich weiter im Proberaum um. Das Equipment von Dreamlight konnte sich wirklich sehen lassen.
Pauls Ausrüstung bestand aus zwei Boxen, die er übereinandergestellt hatte. Obendrauf thronte ein 100-Watt-Verstärker von Dynacord, dessen Mastervolumen er auf acht gedreht hatte. Sein Gitarrenturm überragte ihn um zwei Kopflängen. Er musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um an die Regler zu kommen. Die Ibanez-Gitarre war eingestöpselt in Verzerrer, Wah-Wah-Pedal und Phaser. Die Effektgeräte lagen fein säuberlich aufgereiht vor ihm auf dem Boden. Es waren batteriebetriebene Dinger von der Größe eines Schuhkartons. In Musikerkreisen wurden sie Tretminen genannt. Und zwar deshalb, weil die Herren Gitarristen auf die Teile treten mussten, um die Effekte, die sie produzierten, mit einem Klack einzuschalten.
Das Wah-Wah war nur ein Pedal. Aber eines, das es in sich hatte. Wenn man den Fuß darauf stellte, es nach unten bewegte und gleichzeitig auch noch eine Saite anschlug, entstand tatsächlich ein Klang, der sich anhörte wie eine menschliche Stimme, die »wah-wah« macht. Alle großen Gitarristen
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