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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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Stuhl heran und setzte mich verkehrt herum, die Rückenlehne direkt vor mir. Ich brauchte etwas zum Festhalten.
    Schirmer trug ein offenes weißes Hemd, das Jackett hing am Schrank neben einem Fenster mit heruntergelassenen Jalousien.
    Ein Reporterleben kann ganz schön an die Substanz gehen. Unmöglich, sein Alter zu schätzen, vielleicht Mitte fünfzig, eher jünger. Sein blondes Haar war fast schon weiß. Sein Bauch hatte die Form eines Fasses und wölbte sich feist über den Hosengürtel. Die Stoppeln seines Bartes bildeten einen hellen Flaum auf den Wangenknochen. In seinem Mund hing eine halbgerauchte Zigarette. Die Asche drohte jeden Moment abzufallen. Er bemerkte es rechtzeitig und warf die Kippe in den übervollen Aschenbecher. Mit einem Mal qualmte dieser mächtig los. Schirmer bückte sich, zauberte eine Flasche hervor und goss einen Schwall Mineralwasser über den Brandherd, der zischend erlosch. Er schwitzte und schnaufte, als hätte er einen Hundertmeterlauf hinter sich. Schirmer war nicht nur das Abziehbild eines Lokalreporters, wahrscheinlich war er auch mit allen Wassern gewaschen. Er legte das Manuskript vor sich auf die Schreibtischablage und beugte sich zu mir vor.
    Ich hatte mich mächtig ins Zeug gelegt und war mir sicher, eine saubere Arbeit abgeliefert zu haben. Erst am späten Sonntagabend hatte ich, nachdem ich den Einstieg immer wieder verändert hatte, eine Version, die mich zufriedenstellte. Das Musikfieber in sechzig Zeilen zu je dreißig Anschlägen.
    Was da steht, liest sich ganz flüssig, junger Mann. Okay, ich nehme den Artikel«, sagte Schirmer.
    Ich machte auf cool. »Das war abgesprochen, dass Sie den nehmen, ich produziere doch nicht für den Papierkorb. Ich habe hart daran gearbeitet, jede Menge Recherchen angestellt.«
    Er begann sich in seinem Redaktionsleiterstuhl hin und her zu drehen wie ein Kind auf der Schaukel. »Du riskierst eine große Lippe, junger Mann. So viel recherchieren musstest du auch nicht. Meines Wissens steckst du tief drin in dieser Musikfiebergeschichte. Das ist wohl derzeit das große Ding in dieser Stadt? Selbst mein Neffe ist davon infiziert, von diesem Virus.«
    »Ihr Neffe, Virus, von was reden Sie, und wieso duzen Sie mich?«
    »Moses, so heißt mein Neffe. Und wenn ich richtig informiert bin, spielt er Gitarre in einer Band mit so einem komischen Namen, nun, hilf mir mal weiter, wie heißt die noch, diese Band, die er mit diesem Sonny und diesem Porno-Dingsbums aufziehen will?«
    »Waisel-Villwock, so heißt die Band.«
    »Was ist denn das für ein Name? Zu meiner Zeit nannten sich Bands The Shadows oder Bill Haley & His Comets. Beatles und Rolling Stones sind auch schöne Namen. Aber Waisel-Villwock? Egal, neue Zeiten, neue Musik, dann muss man sich wohl auch andere Namen geben. Soll Moses seinen Spaß haben. Was ich aber nicht will, ist, dass sein Name im Zusammenhang mit irgendwelchen krummen Sachen in der Zeitung steht, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Er wusste, was im Müsli passiert war. Dachte ich es mir doch, es hatte also eine Meldung im Polizeibericht gegeben. Und die hatte er nicht gebracht. Über die Müsli-Aktion hatte nichts in der Zeitung gestanden.
    Er war mit seinem Vortrag noch nicht zu Ende. »Ich habe euch allen einen Gefallen getan. Ich war auch mal jung und hatte meinen Spaß. Aber in erster Linie habe ich das für Moses gemacht. Wenn seine Eltern wüssten, dass ihr geschätzter Sohnemann bei einer Sex- und Drogenorgie erwischt wurde und die Nacht auf dem Revier verbracht hat, wäre Schluss mit der Musikerkarriere. Das wollen wir doch nicht, oder?«
    Schirmer lachte. Es war eher ein Grunzen, was da aus seiner Kehle kam. Das brachte ziemlich viel Bewegung in seinen Bauch, der nahe daran war, ganz aus der Hose zu springen.
    »Wie Sie meinen.« Zu weiteren Ausführungen hatte ich keine Lust.
    Er erhob sich, ging um den Schreibtisch herum und stellte sich vor mich hin. Er zögerte einen Moment, dann setzte er sich auf die Kante des Tisches, der mit einem Knirschen darauf reagierte. Ich musste zu ihm aufschauen. Seine Körperausdünstungen hatten feuchte Flecken in den Achseln seines weißen Hemdes hinterlassen.
    »Ich glaube, du hast Talent«, sagte er, »und ich will dir eine Chance geben. Schreibe mir noch mehr Artikel, wir können eine richtige Serie daraus machen, fünf bis sechs Artikel, und nebenbei hältst du Augen und Ohren offen, was Moses so macht. Ich will nämlich nicht, dass aus ihm ein drogensüchtiger Hippie

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