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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Tristan, es nun wäre, der Fremde wie Freunde zu empfangen habe. Er achtete deshalb nicht weiter auf Merlas Gerede, sondern zog seine neuen Kleider an. Einen Moment lang war er versucht, sich auch den Hut aufzusetzen, dann entschied er sich dagegen und holte die goldene Kugel aus dem Versteck. Er nahm die Kugel fest in die Hand und wollte den Raum verlassen. Merla, die gerade einen Topf von einem Regal nahm, hörte ein Geräusch, sah sich um und erblickte Tristan.
    »Um Gottes willen, wo willst du hin?«
    »Die fremden Leute begrüßen«, sagte Tristan.
    »Bleib schön hier«, sagte Merla beschwichtigend. »So was ist noch nichts für dich. Das sind raue Kerle. Ich soll ihnen Bier bringen und Huhn, jetzt schon, am frühen Morgen. Du kannst dir vorstellen …«
    »Wo sind sie?« Tristan ließ Merla nicht ausreden.
    »Im …«, Merla geriet ins Stottern,»… wo die Bücher liegen.«
    »Sag ihnen, dass ich komme.«
    »Wie?«
    »Dass ich komme!«
    »Tristan, mein lieber kleiner Tristan«, Merla kam mit langsamen Schritten auf ihn zu, und er verbarg die Kugel hinter seinem Rücken, »jeder mag dich hier und jeder bewundert dich, aber mit diesen Leuten hast du nichts zu tun.
    Geh wieder auf dein Lager. Lass deine Mutter das regeln oder Hauptmann Linnehard von der Burgwache. Leg dich noch ein bisschen hin. Es ist früh am Morgen.«
    Merla war bei Tristan angelangt und versuchte, ihn zurück auf sein Lager zu bugsieren. Aber er entwand sich ihren Händen und lief zur Tür. Wenn er auch sonst Schwierigkeiten hatte, sie zu öffnen, weil sie so schwer war, ging es diesmal ganz leicht, und schon stand er im Flur. Kaum blickte er in den langen Gang, schien es ihm, als würde er bereits die Tür zur Bibliothek seines Vaters aufstoßen, zum Empfangs- und Schriftenraum, der mitten in der Burg lag und deshalb keine Fenster hatte. Nur Öllämpchen brannten dort, immer, Tag und Nacht, dort, wo das Buch mit dem Schwert lag, das Buch mit dem Zeichen »T«, sein Buch.
     
    Darragh, Morgans Hauptmann ~15~ Die Forderung
     
    Als Tristan den Saal betrat, sah er vier Männer, zwei saßen an einem der l großen Holztische, die anderen beiden standen etwas abseits beisammen und redeten in einer Sprache, die Tristan nicht kannte. Keiner der Männer hatte bemerkt, dass er in den Saal gekommen war. Die Männer hatten lange Haare und dichte Bärte, sie trugen dicke, lederne Kleidung, an der Hüfte steckten Schwert und Dolch. Offenbar hatte ihnen jemand zu trinken gebracht, denn die beiden Sitzenden schlürften gerade aus hohen Bechern in langen Zügen Keltenbier, das in der Burg gebraut wurde. Da trat Tristan an den Tisch, dessen schwere Eichenplatte er gerade um einen halben Kopf überragte. Die Arme hatte er auf dem Rücken verschränkt, wie Rual es gerne tat, wenn er mit einem Freund sprach - in der linken Hand hielt er, fest von den Fingern umschlossen, die goldene Kugel.
    »Willkommen auf Conoêl«, sagte Tristan und machte eine leichte Verbeugung.
    Die Männer schwiegen erstaunt, setzten die Becher ab und starrten den Jungen an. Der Soldat, der noch seinen Filzhut auf dem Kopf behalten hatte, begann als Erster zu lachen und rief in parmenischem Normannisch aus: »Jetzt schicken die Parmenier schon ihre Kinder und wollen hören, was wir ihnen zu sagen haben.« Die anderen stimmten in sein Gelächter ein.
    »Ich bin Tristan, der Sohn des Marschalls, und frage Euch, wer Ihr seid, woher Ihr kommt und wie ich Euch mit gebührender Gastfreundschaft in Conoêl zu Diensten sein kann. So will es Sitte und Brauch unseres Volkes.«
    »Schau an, schau an«, sagte der mit dem Hut, »du hast dein Verslein gut gelernt. Also dann, hol mir den Marschall, aber mach schnell!«
    »Der Marschall ist fern der Burg. Ich stehe für heute an seiner Stelle und frage Euch erneut, wer Ihr seid und womit ich Euch unsere Hilfe anbieten kann.«
    »Wer ich bin, willst du wissen? Nun, dann sag deinem Vater, Hauptmann Darragh aus Baron Morgans Truppe ist hier, um eigenhändig die Zinsabgabe für diesen Monat abzuholen. Ich weiß, ich weiß«, sagte Hauptmann Darragh und nahm einen Schluck aus dem Becher, »der Monat hat eben erst begonnen, doch was soll’s! Im Hof stehen zehn Lastpferde. Die müssen bis zur Mittagsstunde beladen sein. Los, Kleiner, mach, dass du wegkommst!«
    Tristan spürte, wie die Kugel in seiner Hand immer wärmer zu werden begann, aber er verzog keine Miene, stand weiterhin still vor dem Tisch und sah dem Hauptmann fest in die Augen. »Dann seid Ihr

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