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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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und wieder empfohlen und gefordert habe, das hätten die Römer erfunden und sei doch ganz einfach herzustellen. Doch stattdessen finde er vier Wörter vor, die er kaum entziffern könne.
    »Wasser!«, verlangte die Königin.
    Dorran brachte einen Krug und einen Becher.
    »Brangaene!«, schrie sie darauf. Es dauerte etwas, bis ihr Knappe das Mädchen aus dem Schlaf gerissen hatte. Doch Brangaene kam.
    »Lies dem Mönch vor, was du geschrieben hast!«, befahl Isolde. »Ich bin der Abt«, verbesserte sie Benedictus leise.
    »Ich lass alle deine Bücher verbrennen, wenn du mich zurechtweisen willst!«, fuhr ihn Isolde an, und an Brangaene gewandt: »Lies endlich!«
    »Constantia«, sagte Brangaene leise. »Und weiter, weiter?« Isolde wurde immer unbeherrschter.
    »Spiel - Figuren«, entzifferte Brangaene mühsam mit noch verschlafenen Augen ihre eigene Schrift.
    In diesem Moment betrat die kleine Isôt den Raum, gähnte und hatte nur die letzten beiden Worte gehört. »Spielfiguren«, wiederholte sie, ging, als wäre niemand sonst im Raum, auf den Tisch zu, an dem Isolde zu Abend gegessen hatte, und nahm eine der aus Knochen geschnitzten Figuren an sich, die ein Schaf oder eine Ziege darstellen sollten. »Ein Hund«, sagte Isôt und lachte, sah erst Isolde, dann Brangaene an und zeigte ihnen die Figur. »Bekomme ich einen Hund?«, wollte sie wissen.
    »Lass das!«, sagte ihre Mutter.
    »Und List«, entzifferte Brangaene ihre eigene Schrift und war froh, ihre Aufgabe erfüllt zu haben.
    »Was bedeutet das?«, wollte Isolde von Benedictus wissen.
    »Wer hat Euch dieses Rätsel aufgegeben?« Der Mönch strich sich über das Kinn. Die Situation war ihm unangenehm.
    »Erkläre mir, was das bedeutet!«, schrie Isolde ihn an.
    »Nur zu Constantia kann ich Euch etwas sagen. Ich war einmal dort. Eine Stadt an einem See vor den alpes im Heiligen Römischen Reich. Vor den Bergen am rhin gelegen. - Aber«, schränkte er ein und faltete dabei seine Hände wie zum Gebet, »es kann auch nur ein lateinisches Wort sein und bedeuten, dass etwas eine gewisse Standhaftigkeit hat, eine duratio oder so.«
    »Ein Ort?« Isolde wurde neugierig. »Was für ein Ort? Gibt es dort Spiele, Figuren und List?«
    »Meine Königin!«, versuchte Benedictus ihren Eifer zu beschwichtigen. »Das gibt es überall. In Constantia aber, so viel weiß ich, treffen sich einmal im Jahr Barden und Spielleute, und sie führen etwas Besonderes auf.«
    »Was?«
    »Ich bin nie dabei gewesen. Darbietungen werden es wohl sein, Szenarien, Spektakel eben und Gesänge über die Liebe und den Tod, das Gute und das Böse, etwas in der Art, wie Ihr es ja auch von unseren fili kennt, wenn sie uns Legenden vortragen.«
    »Wann soll das geschehen?«
    »Wenn die Bäume am See ihre Blätter ins Wasser werfen.«
    »Welcher See?«
    »Der See von Constantia.«
    »Zu welcher Zeit?«
    »Im Herbst, meine Königin, wann sonst?« Benedictus lachte leise.
    Alle sahen ihn an. Sofort verstummte er, wandte sich ab, damit niemand sein Gesicht sähe. Gleich darauf schickte Isolde die Anwesenden fort, ließ sich ihr Essen bringen und befahl, Maol und Kanut zu suchen. Doch Dorran kam schon bald mit der Nachricht, die beiden seien im Auftrag Gurmûns als Läufer auf der Insel unterwegs und würden erst beim nächsten Halbmond zurückerwartet.
    »Dann schick sie sofort zu mir«, sagte Isolde mürrisch zu Dorran und hielt dabei den geschnitzten Knochen in der Hand, den ihre kleine Tochter für einen Hund gehalten hatte.
    Bis zum nächsten Halbmond seien es noch gut eine Handvoll Tage, sagte der Knappe.
    »Das ist mir gleichgültig, es können auch zweimal fünf Tage sein: Schick sie sofort zu mir!«
    Dorran verbeugte sich vor seiner Königin, verließ mit leisen Schritten das Gemach und ließ den Vorhang hinter sich vor die Türöffnung fallen. Um nichts mehr hören zu können, sollte Isolde erneut nach ihm rufen, hielt er sich die Ohren zu und lief über die Holzbohlen des Flurs nach draußen vors Haus. Von dort aus rannte er zu den Pferdeställen, die bis auf ein paar alte Stuten leer waren, weil Gurmûn alle königlichen Rösser für sich und seine Reiter brauchte. Der Stallknecht, der nur Manx sprach, sah mit Verwunderung zu, wie sich der Knappe der Königin in eine Ecke des weitläufigen Schuppens verkroch, sich wie ein Hirtenhund zusammenkauerte, etwas vor sich hin murmelte und dann sofort einschlief- mitten am Tag.
    Dorran musste schlafen. Die Launen und sprunghaften Entscheidungen seiner

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