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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Haare geflochten hatten, um ihren Göttergestalten zu ähneln. Manchen Männern wuchs der Bart bis unter die Augen, in den Haaren hatten sich Speisereste verklebt, und sie strömten einen entsetzlichen Gestank aus. Auch der König roch nach Schweiß, sein Wams war an einer Seite so voll verkrusteten Blutes, dass sie schon befürchtete, er habe sich verletzt. Einer der Reiter erzählte ihr aber, Gurmûn habe einen ausgenommenen Ziegenbock wie einen Gürtel um seine Hüfte gebunden und sei damit auf ein Gehöft eingestürmt. Die Bewohner seien aus Angst vor dieser Missgeburt schreiend in den Wald geflohen, dann hätte Gurmûn die Hütten in Brand gesteckt. Und von Morolt, Gurmûns wildem Bruder, wurde berichtet, er schlage bisweilen seinen Opfern die Hände ab, verschnüre sie an seinen Armen, sodass es aussehe, als steckten die Toten unter seinem Hemd.
    Mit solchen Geschichten rühmten sich die Gefolgsleute des Königs. Die anderen, die sich ihm als Besiegte angeschlossen hatten und kleinlaut hätten sein müssen, prahlten mit Legenden, die sie so darboten, als hätten sie sie selbst erlebt. Einer, Hegath nannte er sich, wollte gegen einen Elefanten gekämpft haben, wusste aber nicht, ob dieses Ungeheuer zwei Zähne und einen Rüssel oder zwei Rüssel und einen Zahn gehabt hatte. Sie lachten über Hegath, doch das war ihm gleichgültig. Nie im Leben hatte er einen Elefanten gesehen, keiner der Umstehenden hätte das von sich behaupten können, nur gehört hatte er davon. Wichtig war, dass er wusste, was es hieß, gegen ein Ungeheuer zu kämpfen. Denn Ungeheuer waren sie alle selbst. Wer siegte, konnte davon berichten, wer verwundet wurde und nicht mehr kämpfen konnte, war tot. Wer tot war, war vergessen. Nur einen Elefanten konnte man in Erinnerung behalten, weil es ihn gar nicht gegeben hatte. Darüber lachten sie später wie die Kinder, stießen ihre Becher gegeneinander oder begannen ihr »Ho-he-ho-henninghu-he«-Lied zu singen.
    Isolde wollte nicht, dass ihre Tochter diesen Männern begegnete, obwohl Gurmûn immer wieder nach ihr fragte und sie zu sehen verlangte. Sie schickte Dorran zum Sommerhaus mit der Nachricht, Brangaene solle dort drei weitere Tage mit Isôt ausharren. Dorran ritt, nachdem er Isôt und die Zofe unterrichtet hatte, völlig erschöpft zum Hof zurück, der immer noch voll von Kriegern und Reitern war, die anscheinend nicht aufhören konnten zu essen und zu trinken, zu grölen und die Mägde ins feuchte Stroh zu werfen, und betrat über den Nebenflur das Gemach der Königin. Er sah sie auf der obersten Stufe vor ihrem Lager sitzen, das sie in dieser Nacht mit Gurmûn würde teilen müssen, und vor ihr standen zwei hagere Männer, nicht älter als Dorran. Der wusste sofort, um wen es sich handelte: Es waren Maol und Kanut, Gurmûns Läufer.
    »Die Stadt heißt Constantia«, sagte Isolde gerade zu den beiden, als Dorran den Vorhang zur Seite schob und eintrat. Isolde blickte kurz zu ihm hin, weshalb er wie angewurzelt stehen blieb und sich nicht mehr bewegte. Die beiden Waldläufer bemerkten ihn nicht.
    »Ihr nehmt das nächste Handelsschiff zum Festland, ganz gleich wo es euch hinbringt«, sagte Isolde. »Von dem Ort, an dem ihr landet, sucht ihr euch einen Weg nach Constantia. Dort bleibt ihr und wartet, bis er auftaucht. Diesen Brief gebt ihr im Kloster Laurentis ab. Könnt ihr euch das merken? Laurentis? Wiederholt den Namen!«
    Maol und Kanut wiederholten den Namen.
    »Was ihr dann zu tun habt, wisst ihr.« Isolde schwieg, die beiden verbeugten sich. Von dem Tisch mit den kleinen aus Knochen geschnitzten Figuren nahm sich jeder einen der dort bereitgestellten Lederbeutel, und sie verließen den Raum. Keiner von ihnen hatte Dorran bemerkt, oder jeder von ihnen tat so, als wäre er nicht anwesend. Nicht einmal die Königin beachtete ihn.
    Dorran räusperte sich.
    »Ach, Dorran!«, sagte Isolde und tat überrascht. »Wie geht es meiner Tochter?«
    »Bestens. Sie hat heute gelernt, Ringe zu werfen und mit dem gestreckten Arm aufzufangen. Außerdem…«
    »Ringe?«, unterbrach ihn Isolde. »Was ist das? Zu meiner Zeit gab es das nicht.«
    »Außerdem«, fuhr Dorran fort, »spricht sie sieben weitere fränkische Wörter und kann auf der Laute den Mittelfinger übersetzen in die untere Lage.«
    »Welche Wörter?«
    »Fragil…« Dorran geriet ins Stottern. »Ich weiß es nicht, Herrin, fral… , ich weiß es nicht.« Was wollte sie jetzt wieder von ihm, dachte er, sollte er auch noch fremde

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