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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Geschäft eines Leinewebers, das von einem älteren Mann geführt wurde. Der war hocherfreut, als der Junge ein Beinkleid und eine Bundhaube kaufte und mit blanker Münze bezahlte. Die Kopfbedeckung behielt Tristan auf, das Beinkleid ließ er zum Kloster bringen. Dann fragte er den Mann, ob der Raum noch einen anderen Zugang habe. Noch immer dankbar über das erste gute Geschäft an diesem Morgen, führte ihn der Mann durch einen langen Flur, stieß eine Tür auf und zeigte ihm den Durchgang zu einer Gasse. Dort zog Tristan rasch seine Kutte aus, unter der er Wams, Hemd und Hose trug, gab sie dem Leineweber, er solle sie zu dem Beinkleid packen, und rannte davon, ohne auf die erstaunten Blicke des Alten zu achten. Bevor er die Straße erreichte, zog er sich die Bundhaube tiefer ins Gesicht und ließ seine Locken darunter verschwinden. Sich Stirn und Wangen zu beschmieren, darauf verzichtete er diesmal, stand lächelnd in der Sonne, während Karren an ihm vorbeigezogen wurden, ihm Kinder und Frauen auf ihrem Weg auswichen, und fühlte sich zum ersten Mal wirklich frei.
    Offensichtlich war er in einer Gasse gelandet, in der viele Juden ihre Geschäfte hatten. Männer mit langen Barten und ausgeprägten Gesichtszügen sprachen ihn an, während er schlendernd und ziellos seinen Weg ging. Durch die offenen Türen sah er auf Tischen Waagen und Gewichte und Stapel von Büchern liegen. Es ging in dieser Gasse leiser zu als in anderen Straßen, in denen um Waren und Preise gefeilscht wurde.
    »Wohin des Weges, junger Herr?«, wurde er plötzlich von der Seite her angesprochen und mit derselben Frage ein weiteres Mal auf Lateinisch. Tristan blickte sich um und sah in das Gesicht eines Mannes, der nicht viel älter als Courvenal sein mochte. Er trug saubere Kleider und hatte einen gestutzten Bart, die dunklen Haare glänzten, als wären sie geölt. Den Kopf bedeckte eine runde, mit Goldfäden durchwirkte Mütze, unter seinen Arm hatte er ein Buch geklemmt.
    Tristan wollte weitergehen, als ihn der Mann erneut wie einen Herrn ansprach: »Habt Ihr nicht noch etwas zu bezahlen?«
    Da blieb Tristan stehen.
    »Oder wart Ihr es etwa nicht, der gestern in der Nachmittagsstunde eine Kappe gestohlen hat und damit fortgerannt ist? Und die Haube, die Ihr auf dem Kopf tragt, ist die auf die gleiche Art und Weise in Euren Besitz gelangt?«
    »Ich habe sie bezahlt!«, stieß Tristan hervor, der spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss.
    »Ihr seht auch nicht aus wie ein Dieb!« Der Mann lachte. »Und gestern, das war wohl ein versehentliches delictum, oder?«
    Da Tristan den Mann noch immer anstarrte und kein Wort mehr hervorbrachte, ergriff der wieder das Wort: »Ich mache Euch einen Vorschlag. Ich lade Euch zu einem Essen ein, und Ihr erzählt mir, was geschehen ist, wo ihr herkommt und was Ihr in dieser Stadt sucht. Kommt mit, nun kommt schon, ich tue Euch nichts Böses an, glaubt mir, ich bin eher ein Feind des Bösen.«
    Das Buch, die schlanke Gestalt des Mannes, seine gute Kleidung, sein fehlerfreies Latein und die Lebhaftigkeit seines Gesichtsausdrucks und seiner Gesten veranlassten Tristan dazu, dem Mann zu folgen. Vor allem aber wollte er wissen, was er über diesen Diebstahl wusste. Danach fragte er ihn auch gleich frei heraus, kaum waren sie in einem steinernen Haus angelangt und hatten sich in einem Zimmer mit schweren Möbeln an einen Tisch gesetzt.
    »Ein Zufall«, sagte der Mann, der sich als Philippe de Toledo vorstellte, nachdem Tristan ihm gesagt hatte, er heiße Thomas und stamme aus Colonia.
    »Ein echter Karolinger also«, sagte Don Philippe und wechselte, wenn auch etwas mühsam und hart in der Aussprache, ins Deutsche über. »Was für ein Land, was für Kaiser, was für Herrscher, Carolus Magnus, Enrique Dos, Barbarossa, was für Namen! Ich weiß gar nicht mehr, welcher schöner klingt und wer heute auf dem Thron sitzt«, geriet er ins Schwärmen, während zwei Mägde eintraten, denen er auf Spanisch die Anordnung gab, einige Speisen zu servieren und auch Wein und Wasser zu bringen. »Ihr trinkt doch Wein, Herr Thomas?«, fragte er wie nebenbei und tat so, als hätte er das schüchterne Kopfschütteln Tristans nicht bemerkt. »Um aber auf Euren Diebstahl zurückzukommen, den ich zufällig beobachten konnte, kann ich Euch beruhigen. Ich bin kein Spitzel oder Geldeintreiber, schon gar nicht die lange Hand der lex generalis, sondern einer, der sich mit dieser lex befasst. Wisst Ihr, was ich meine?«
    »Ihr seid

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