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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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würde wie vor dieser Zeit von … Nellas Tod.
    »Es ist nur ein Tier«, hörte er Thomas wie zur Beschwichtigung sagen. Und diese gut gemeinte Bemerkung löste in Tristan einen Knoten der Trauer, der sich in den Jahren, seit er aus Conoêl fort war, immer fester zusammengezogen hatte. Er sank auf die Knie und weinte, als wollte er Nellas Grab mit seinen Tränen füllen. Verunsichert über das Verhalten seines Herrn wollte ihm Thomas aufhelfen und fasste ihn unter die Arme. Doch Tristan wehrte ihn ab. Er musste weinen und tat es, solange Tränen aus seinen Augen flossen.
    Als er wieder zu sich gekommen war, half er dem Knecht, Erde und Äste, Gras und Laub über Nellas Grab zu werfen. Der Sack mit dem toten Tier verschwand vor seinen Augen, zugleich wich der Schmerz von seiner Seele.
    Er ging neben Thomas den Weg hinunter zum Markt. Als sie bei der Treppe angekommen waren, bat Thomas darum, ihm etwas sagen zu dürfen. Sie standen auf den Stufen, Tristan auf derselben wie Thomas, und dabei nahm er zum ersten Mal wahr, dass sie fast gleich groß waren.
    »Auch wir müssen voneinander Abschied nehmen«, sagte Thomas und senkte den Blick.
    »Was soll das heißen?«
    »In einigen Tagen breche ich auf. Ich begleite einen Händler nach Italien, wo wir gerade herkommen. Er hat ein großes Anwesen. Dort soll ich die Ställe führen. Für Eure Weiterreise gibt es einen Jungen, der sich um alles kümmern wird. Der Herr weiß Bescheid.«
    Tristan war wie vor den Kopf getroffen. »Nella stirbt, und du verlässt uns? Wie soll ich das verstehen? Ist es dir nicht gut gegangen bei uns?«
    »Nichts von dem, was Ihr vermutet, hat miteinander zu tun. Ich will nur nicht zurück in den Norden ans kalte Meer, zurück in die Stürme und den Regen. Ihr habt dort Eure Eltern und Eure Burg, ich habe dort nichts. Und als Don Courvenal mir sagte, dass Ihr bald aufbrechen werdet, fasste ich den Entschluss, dass auch ich …«
    »Bald aufbrechen?« Tristan war so erstaunt, dass er wütend wurde. Warum er von nichts wisse, sagte er unwirsch, und dass hoffentlich die Zeit bald vorbei sei, wo man ständig über ihn bestimme. Auch diese Hitze könne er nicht mehr aushalten, deshalb sei es ihm ganz recht, wenn sie weiterziehen würden - so schrie er beinahe die Worte aus sich heraus, hatte mit einem Mal Nella vergessen, ihn kümmerten auch nicht Thomas’ Pläne, sondern er wandte sich rasch um und lief über den Marktplatz zum Haupthaus, um Courvenal zur Rede zu stellen. Als er aber in die Kemenate trat, fand er auf dem Tisch einen Brief vor, der an ihn gerichtet war. Darin schrieb ihm Courvenal, dass er für drei Tage zu einem südlich von Toledo gelegenen Kloster der Franziskaner geritten sei wegen der Studien einiger hebräischer Texte, die man dort aufbewahre, möglicherweise Briefe der Apostel über das Leben Jesu. Sobald er zurück sei, brächen sie auf. Tristan solle seine freien Tage nutzen, um von den Dingen, die sich während ihrer Reise angesammelt hatten, nur so viel mitzunehmen, dass ein einziges Packpferd sie tragen konnte. Enrique, einer von Don Hermanos Leuten, würde sich deswegen bald bei ihm melden.
    Tristan legte den Brief auf den Tisch zurück und blickte starr vor sich hin. Da betrat eine der Mägde den Raum.
     
    Almendra ~152~ In der Dunkelheit der Sinne
     
    Die Magd hieß Almendra, zumindest wurde sie von allen so genannt. Wie die anderen Mägde trug sie ein weites Kleid. Ihre Füße konnte man nicht sehen. Dafür aber hatte sie, wie die anderen auch, die Schultern frei und einen Ausschnitt bis zum Ansatz ihres Busens. Ihr volles dunkles Haar hatte sie mit hölzernen Kämmen, die aber nicht die ganze Haarpracht halten konnten, nach oben gesteckt. Seitlich der Schläfen fielen lockige Strähnen bis auf die Brust und den Rücken. Ihre Haut war tief gebräunt und schimmerte leicht, ihre Augen blickten aus den Höhlen wie dunkle Kerne aus zwei eben erst aufgesprungenen Früchten. Wenn Tristan diesen Augen begegnete, schaute er immer schnell weg. Ihre Dunkelheit irritierte ihn.
    Almendra kam nie allein in die Kemenate, meist waren Carmen oder Larraine aus Mesocco bei ihr. Da sich Tristan nach dem Lesen von Courvenals Brief auf sein Lager geworfen hatte und es ihn schwindelte, bemerkte er Almendra erst, als sie über die blanken Fliesen zum Fenster huschte, um es zu schließen, und dabei eine Melodie summte. Er sah sich zu ihr um, sie tauchte kurz in das warme Licht der Sonne ein, während sie den schweren Bleirahmen verriegelte,

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