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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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konnte.
    »Kehrt zurück nach Toledo«, antwortete ihm Courvenal direkt und setzte, als würde er seinen eigenen Gedanken folgen, leiser hinzu: »Und vielleicht auch ich. Tempi passati. - Jetzt aber müssen wir etwas essen«, sagte er laut zu allen. »Es gibt vom Zicklein und gekochte Bohnen.«
    Tristan horchte auf: Courvenal wollte nach Toledo zurück? Und hatte nicht auch Thomas diese Worte zum Abschied gebraucht, obgleich er das Lateinische nicht mochte?
     
    Tempi passati ~ 155 ~ Signore »Don« Silvio
     
    »Tempi passati« waren die Lsungsworte für Thomas gewesen, um sicher und unbehelligt die Burg Don Hermanos zu verlassen. Er befand sich zwar in der Begleitung seines neuen Herrn Silvio di Roma, aber das Misstrauen der Burgwache war groß, und nur mit einer zuvor mit den Herren abgesprochenen Losung war ein ungehinderter Ausritt möglich.
    Don Silvio verfügte über eine Karawane mit mehr als zwei Dutzend Lastpferden, die alle voll bepackt waren, und er hatte acht Knechte als deren Führer und vier Reiter zur Bewachung verpflichtet. Drei Monate sollte die Reise nach Venecia dauern. Thomas war als Führer der Lastknechte eingestellt worden. Am Ende der Reise würde er dafür so viel an Dienstlohn bekommen, dass er sich davon gewiss ein eigenes Pferd leisten konnte.
    Courvenal hatte ihm diesen Auftrag verschafft und ihn dazu überredet, ihn anzunehmen, da er Thomas nicht zusichern mochte, dass ihm bei Tristans glücklicher Rückkehr nach Conoêl das gleiche salario gezahlt werden würde. Also hatte Don Silvio, der ein freundlicher, verschlossener Mann aus der Gegend der Etrusker war, den Knecht in seine Truppe aufgenommen.
    Der Mönch hatte Thomas auch darin eingeweiht, dass die Karawane einen beschwerlichen Weg vor sich haben werde. Die Last, die die Pferde und Maultiere trugen, gehörte nicht zu den üblichen Gütern. Keiner der Knechte wusste, worum es sich handelte, was sich in den Säcken und Taschen, die über den Tierrücken fest verknotet waren, verbarg.
    Thomas ahnte es. Er hatte während der Monate, die er sich in der Burg Hermanos aufgehalten hatte, oft genug mitbekommen, dass sie ein Umschlagplatz für Waffen war. Nicht zuletzt deswegen war sie so gut abgesichert. Die Anzahl der Schmieden in der Burg war begrenzt, doch die Menge der Waren, die in sie hineingebracht und wieder aus ihr abtransportiert wurden, war enorm. Oft ging es auch darum, so hatte er gehört, dass Schwerter oder Lanzen nur in einer rohen Form angeliefert wurden, um in der Burg geschliffen und verfeinert zu werden und, versehen mit Schäften, mit Schmuckzeichen, Banderolen oder Fähnchen, für fremde Burgen oder Herrschaftssitze neu ausgestattet zu sein. Es hieß sogar, Don Hermano beliefere den Papst und die Truppen seiner Fürstentümer jenseits der Alpen.
    Die Bewohner der Burg des Don Hermano lebten gut, sie waren alle registriert und namentlich bekannt. Während in den Bibliotheken Toledos sich die Bücher mit Übersetzungen aus fremden, von Afrika stammenden Schriften füllten, wurden in der bibliotheca Don Hermanos in der alten Klosteranlage von den wenigen Mönchen hauptsächlich Zahlen und Namen untereinandergeschrieben.
    Thomas wusste davon, machte sich darüber aber keine Gedanken. Er zog mit Don Silvio auf Umwegen gen Norden an Barcelona vorbei, durchquerte gen Nordosten die Pyrenäen über abgelegene, unwegsame Pässe und sah kaum etwas vom immer nahe gelegenen Meer. Irgendwann hieß es, sie seien nicht weit von Mailand entfernt und könnten nun für einen komfortableren Ritt die Ebene des Po-Flusses nutzen. Doch kurz hinter Mailand wurden sie von der Hauptstraße weggeleitet und von einheimischen Führern an den Rand der Alpen gebracht. Don Silvio wurde nun Signore Don Silvio genannt, und Thomas hieß Tomasio. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, dass keine Unruhe unter den Knechten entstand; sogar die Reiter verstand er zu beschwichtigen.
    Die Unzufriedenheit der Knechte kam daher, dass auf einem Pfad am Passweg zwei Lastesel an einem steilen Geröllhang ausgeglitten und in die Tiefe gestürzt waren. Mit ihnen ging fast der ganze Proviant verloren. Don Silvio, der ein gutes Stück vorausgegangen war und die Hufe der Pferde mit Lappen hatte umwickeln lassen, damit sie besseren Halt fanden, befahl zwei Knechten, in den Abgrund hinunterzusteigen und die kleinen Säcke mit getrocknetem Fleisch und gemahlenem Getreide wieder heraufzuholen. Er gab ihnen sogar Messer mit: Sie sollten von den Eseln Fleisch abschneiden

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