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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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bleibt.
    Dann suchte er sich das beste der Pferde aus, die sie von dem Umpackplatz gestohlen hatten, durchstöberte die Satteltaschen von Pint und Hoggard, nahm die wenigen Münzen, die er darin fand, und die Dolche an sich, band die beiden anderen Pferde aneinander und ritt mit seiner Beute gen Norden. Über die Berge wollte er, fort von hier, hinüber zu seiner Insel im Meer, zu seiner Königin, auf dem allerschnellsten Weg. Die Pferde der Britannier würden ihm helfen, die Pferde waren pures Gold wert, diese drei Pferde machten seine Rückkehr dreimal so schnell möglich.
    Nachdem Dorran das erste Pferd bei einer Burg hinter Verona gegen gute Münzen getauscht hatte, waren Pint und Hoggard schon längst vergessen. Nur manchmal noch in den vielen Nächten seiner Reise, mischte sich in seine Träume das Bild der blutbefleckten Brust des Britanniers. Einmal glaubte er ihn schlafend, versuchte ihn zu wecken, nannte ihn Drystan, wischte den Staub weg und sah seine Königin vor Augen. »Isolde«, flüsterte er im Schlaf, im Traum. Er wollte wieder zu Hause sein, dort, wo in der Nacht auf den Hügeln die Feuer loderten, damit die Königin die Sterne nicht sehen musste.
     
    Das Uferlose ~ 159 ~ Vor der Heimkehr
     
    Während Dorran Irland entgegenfloh, irrte Hoggard viele Tage lang durch unwegsame Wälder und hielt auf die Berge zu, sobald sie ihm in den Blick kamen. Als er nach dieser gemeinsamen Nacht mit Pint und Dorran irgendwo zwischen Büschen und Bäumen aufgewacht war, hatte er lange gebraucht, um ihre Lagerstelle wiederzufinden. Vor Schmerzen in den Augen konnte er nicht richtig sehen. Sein Bauch tat ihm weh, er verfluchte den Wein, den Dorran ausgeschenkt hatte. Wie oft er sich, nachdem er das Feuer verlassen hatte und sein Lager in der Dunkelheit verfehlte, wie ein räudiger Köter hatte übergeben müssen, wusste er nicht mehr.
    Irgendwo in einer Grube war er liegen geblieben und dort auch wieder zur Besinnung gekommen. Da war es schon mitten am Tag. An der nächtlichen Feuerstelle war nur noch die Asche, in der ein paar verkohlte Astknorpel glühten und einen beißenden Geruch verbreiteten, bei dem ihm erneut schlecht wurde. Von Pint oder Dorran war nichts zu sehen. Als er wenige Schritte von der Asche entfernt seinen Kleidersack fand, zerschnitten und zerfetzt, und seine Pferdedecke in viele Teile zerrissen, ahnte er dumpf, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Die Pferde waren weg, Dorran auch, und Pint ließ nichts von sich hören, so laut er auch nach ihm rief. Schreiend stolperte Hoggard vor sich hin, verfluchte die Nacht und den Tag, verfluchte Dorran und Thomas, den Knecht, bis er gegen etwas stieß und zu Boden fiel.
    So fand er Pints Leichnam. Erst weinte er, weil er sich von allen verlassen fühlte und Angst bekam vor seinem Alleinsein, dann entkleidete er den Toten, um sich dessen Beinkleider und Hemd anzuziehen, die ihm trotz der Flecken durch den Urin und das Blut immer noch besser schienen als seine eigene Tracht, die von oben bis unten mit Erbrochenem besudelt war. Ganz zum Schluss fand er die goldene Münze an der Schnur, die Pint, dem nackten Pint mit seinem erdbraunstaubigen Gesicht, um den Hals hing, und nahm sie an sich. Was er an Trinkbarem in den Schläuchen fand, die auf dem Boden lagen, schüttete er in sich hinein, taumelte einen Hügel hinunter und den nächsten hinauf, bis er wieder eine Senke fand, in die er sich fallen ließ, um von Mittag bis zum nächsten Morgen zu schlafen.
    Von da an schleppte er sich weiter, aß Moos, kaute Wurzeln und geriet unweit von Trento in die Kontrolle eines Reitertrupps aus Sachsen. Da man einen Pferdeknecht brauchte, nahm man Hoggard mit, ohne lange nach seiner Herkunft und seinem Wohin zu fragen. Dadurch hatte er zumindest zu essen, auch wenn er sonst nichts besaß als die Kleider auf seinem Leib. Nach dem Blut darauf fragte niemand, was für Hoggard lediglich bedeutete, dass er nicht antworten musste. Während vieler Monde sprach er mit kaum jemandem ein Wort. Er folgte dem Blick seiner Augen wie ein Tier, das auf der Spur einer Fährte läuft. Als sich der Trupp schließlich zerstreute, bekam er ein paar Pfennige, gelangte auf eine Flussbarke, die Holzkohle beförderte, und wäre dabei fast Dorran begegnet, der nicht weit vor ihm auf einem Frachtkahn in Richtung Meer unterwegs war.
    Dorran stand während der Fahrt auf dem Fluss oft am Bug und blickte in die ihm entgegenschwimmende Landschaft mit der Gewissheit, dass er den Auftrag seiner

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