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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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kann ich viel, dachte er, als er den dunklen Weg hinabging zu den Ställen. Dort lagen immer einige Decken für die Pferde, unter denen er sich wärmen und schlafen konnte. Wurde nicht oft für die Pferde besser gesorgt als für ihre Reiter? Hätte er doch das Glück gehabt, als ein Tier geboren worden zu sein! Da ich aber nun einmal ein Mensch bin, dachte Dorran, wie soll ich da …? Er stolperte seiner Schlafstätte entgegen, ohne seine Frage zu einem Ende zu bringen.
    All seiner Kräfte beraubt fühlte sich Hoggard, der nun ohne Pint und ganz auf sich allein gestellt war. Er hatte sich schon mehrfach aufgegeben, bis er es schließlich, immer zu Fuß, nach Cornwall an König Markes Hof zurück schaffte - da war es schon Winter, und es dauerte nochmals einen halben Mond, bis er dank der Münze, die er als Beweis um den Hals trug, schließlich erreichte, vorgelassen zu werden.
    Und auch Thomas, der Knecht, fand den Weg zurück nach Norden. Noch auf der halben Strecke nach Syrien schied er, von allen wegen seines mürrischen Wesens abgelehnt, aus der Mannenschaft des Signore Don Silvio aus, bekam ein geringes Entgelt, ein paar Münzen, deren Herkunft er nicht kannte, und wechselte über zur Karawane eines Händlers, der in entgegengesetzter Richtung zog. Dieses Entgegengesetzte war ihm mehr wert als alles andere. Es machte ihm nichts aus, selbst zu einem der Packesel zu werden, die er zuvor mit Stock und Rute beaufsichtigt hatte. Als Träger bekam er nur Essen und Trinken.
    Des Nachts, wenn alle schliefen, versuchte er sich als Dieb an seinem Herrn, einem Kaufmann aus Sachsen, und durchwühlte die Pferdetaschen nach irgendetwas Brauchbarem, das er am Leib verstecken konnte. Er stieß aber nur auf Stoffe und Gewürze und konnte nichts damit anfangen. Bis er in eine Runde von Lastpferdtreibern geriet, die ihn zu Datteln, Wein und Fladenbrot einluden. Da es schon spät war, die Müdigkeit schnell zunahm und der Wein die Zungen löste, erfuhr er, dass in einer der Satteltaschen zwei Pakete mit Büchern enthalten seien, »prophetische Schriften« aus Jerusalem, von denen einer der Treiber behauptete, es handle sich um Briefe der Apostel Jesu. Sofort entstand ein Gelächter, und der Treiber, ein Araber, der den documenti keinen Wert beimaß, schwächte auch gleich die Bedeutung seines Wissens ab, indem er sich selbst über die »Fetzen aus Papyrusstoff« lustig machte. Da Thomas noch gut in Erinnerung hatte, wie hoch sein ehemaliger Herr Courvenal den Wert solcher »geschriebener Reliquien« geschätzt hatte, horchte er auf, ohne sich etwas anmerken zu lassen. In den großen Bischofssitzen sollte ein geheimer Handel existieren, bei dem man Gold dafür erhalten könne.
    »Das muss aber eine besonders flache Tasche sein«, bemerkte er wie nebenbei, »und ein glückliches Pferd, das nur Worte zu tragen hat.«
    »So kann nur die Einfalt sprechen!«, rief daraufhin der Treiber. »Mein Pferd ist das störrischste von allen, als wäre es mit purem Gold beladen.«
    »Oder mit heiligen Wörtern, schwer wie Steine«, fiel ihm ein anderer ins Wort.
    »Aus dem Himmel gefallene Steine!«, ergänzte halb lachend, halb schreiend der Treiber und ließ sich seinen Becher nachfüllen.
    Thomas sagte nichts dazu. Aber in den nächsten Tagen fand er heraus, über welches der Pferde der Treiber die Aufsicht hatte und wohin er die Taschen verbrachte, wenn sie lagerten. Da sich die Karawane über Meolo Venecia näherte, wo ein Aufenthalt von mehreren Nächten geplant war und neue Lasten für den Weg über die Alpen hinzukommen sollten, entschloss sich Thomas, die beiden Satteltaschen zu stehlen mitsamt dem Pferd, das sie trug. Sein Plan war, sich mit seinem Diebesgut einige Meilen weit von der Karawane zu entfernen, ein paar Blätter aus den Taschen herauszusuchen, die ihm auf den ersten Blick alt und wichtig erschienen, dann alles wieder gut in die Wachstücher einzupacken und die Spangen der Taschen fest zu verschließen, als wären sie nie geöffnet worden. Auf diese Weise musste der Eindruck entstehen, sein Diebstahl habe nur dem Packpferd gegolten. Wenn man es fände und auch die verschlossenen Taschen, würde man ihn nicht weiter verfolgen.
    Als Wolken den Halbmond verdeckten, setzte er seinen Plan in die Tat um. Was er an Folianten in seiner Eile und Furcht, kaum eine Meile vom Weg entfernt, aus den Taschen nahm, war genug, um aus den Heften und Büchern Seiten ohne große Vorsicht herauszutrennen und sie sich unter das Wams und unter sein

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