Tristan
immer er auch heißen sollte. Glaubt Ihr aber im Ernst, dass ein britannischer Edler oder Fürst oder König wie Edward, Henri oder Marke seinen Sohn Tristanus nennen würde, nachdem die Römer endlich abgezogen sind? Niemals!«
Elmar war während seiner heftigen Rede aufgestanden, hatte Courvenal mit »Ihr« angesprochen, als wäre er eine Instanz, und war zum Feuer gegangen, wo die beiden Heiligenfiguren gerade zu Glut wurden. Ihre Gestalten leuchteten noch in ihren Umrissen, und es schlugen blaue Flämmchen aus ihnen heraus.
Courvenal schien in seinem Stuhl kleiner geworden. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, was Elmar als ein Zeichen dafür nahm, dass dem Bruder die Kräfte schwanden. Fürsorglich schlug er vor, ihn in seine Kammer zu bringen. Courvenal willigte dankend mit leiser Stimme ein und verbarg dadurch die bittere Trauer, die in ihm hochgekrochen war mit jedem Wort, mit dem Elmar den Namen Tristans anklingen ließ. Denn um wen sonst konnte es sich handeln? Alles stimmte zusammen, alles wies auf den Jungen hin, den er verloren hatte. Der rote Stern war verglüht. Wenn er nicht wieder erschiene, dachte Courvenal, als er sich auf Elmar stützte, um zu seinem Lager zu gelangen, wäre das immerhin die Bestätigung der Hoffnung, dass Tristan noch am Leben war. Alles stimmte, das war das Furchtbare. Nur ein Zweifel blieb!
Ächzend ließ sich Courvenal auf sein Bett nieder, bedankte sich bei Bruder Elmar, der ihn zudeckte, drehte sich auf die Seite und dachte, während er frierend Arme und Beine dicht an seinen Körper zog, dass immer noch eine quälend unlösbare Frage offen war: wie es möglich sein sollte, dass man Tristan mit einem Königssohn verwechselte, der er nicht war. Denn ein Königssohn brauchte zum Vater einen König. Rual, der Verwalter von Parmenien, war zwar ein mächtiger und kluger Mann, doch er war und blieb ein Marschall von niederer Geburt, und Tristan war und blieb sein nicht adliger Sohn.
Abschied von Elmar ~ 181 ~ Wiedersehen in Conoêl
Zwei Monde lang blieb Courvenal im Kloster Fidgrow. So gut er konnte, half er Elmar, das Haus instand zu setzen und ihm einen Bock für die beiden Schafe zu besorgen. In der Kapelle fand sich noch in einem Schrein ein Kelch, halb aus Kupfer, halb aus Silber, den er bei einem Bauern gegen das Tier tauschen konnte. Außerdem beschaffte er Rübensamen und legte ein kleines Feld an. Er unterrichtete Elmar darin, wie er mit den Wurzeln umzugehen hatte, damit er sie zum Teil verzehren könnte, zum anderen aber dazu nutzen, wieder neuen Samen zu erzeugen. In dem verwaisten Haus fanden sich ein paar Fässer, die Elmar noch nicht zu Brennholz gemacht hatte, die präparierte er, um den Seeleuten auf bessere Art frisches Wasser anzubieten. Ganz allmählich begriff Elmar, wie er sich mit der Aufzucht von Pflanzen und Tieren und mit dem Tausch von Gütern würde ernähren können. Vor allem machte Courvenal ihm vor, dass man dafür fleißig sein müsste. Dann würden auch eines Tages die Schäfer und Bauern nicht mehr nur zum Kloster kommen, um für die Todgeweihten in ihrer Familie um Gottes Beistand zu bitten.
Die Lebhaftigkeit Courvenals griff erst nach und nach auf Bruder Elmar über. Dass er als einziger Mönch des Klosters realiter auch der Abt wäre, begriff er erst spät. Courvenals Anwesenheit sah er anfangs wie ein Geschenk Gottes an. Dann gewöhnte er sich daran und ging eine Weile davon aus, dass sie für immer fortwähren würde. Courvenal hingegen hielt ständig Ausschau nach einem Schiff, das ihn von diesem gottverlassenen Flecken Erde wegbringen könnte. Selbst nachts bestieg er manchmal einen Hügel über der kargen Küstenlandschaft, um nach dem roten Stern Ausschau zu halten, konnte ihn aber nirgends am Firmament entdecken. Das bestärkte in ihm die Hoffnung, dass Tristan noch lebte, und so widmete er sich wieder tagsüber der Arbeit auf dem Feld oder im Haus und verpasste deshalb das erste Schiff, das zur Wasseraufnahme in Kettwall ankerte. Er kam gerade mit einem Armvoll Holz von den Hügeln in den Klosterhof zurück, als es schon dämmerte. Da trat ihm Elmar freudestrahlend entgegen, hielt in den Händen zwei Säcke Mehl und deutete auf den Beutel am Gürtel seiner Soutane, in dem sich Salz befinde. »Woher hast du das?«, fragte Courvenal erstaunt.
»Von den Bootsmännern«, sagte er und lächelte. »Deine Idee mit den Fässern - sieh nur, wir sind reich. Heute Abend gibt es frisch gebackenes Fladenbrot, echtes curagh, du wirst
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