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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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staunen, wie gut es schmeckt!«
    »Und das Boot?«
    »Sie wollten gleich weiter nach Irland. Die Winde stehen günstig.«
    Courvenal ließ auf der Stelle das Holz fallen und rannte aus dem Kloster den Weg hinunter zur Anlegestelle. Dort sah er noch das Segel des Schiffs - schon weit draußen auf See.
    An diesem Tag schwor er sich, klüger zu sein und Elmar zum Holzholen zu schicken und für ihr tägliches Leben zu sorgen. Mehrmals am Tag bestieg er den Hügel, von dem aus man einen weiten Blick aufs Meer hatte, und suchte es nach einem Segel ab. Gegen Ende des Monats August hatte er Glück. Er sah es gleich morgens. Elmar erzählte er nichts davon, sondern beauftragte ihn, zu einem der Schäfer zu gehen, um nachzufragen, wann die Schafe geschoren werden sollten.
    »Aber das wissen wir doch«, sagte Elmar.
    »Wir wissen gar nichts.« Courvenal reagierte verärgert. »Schon das letzte Mal haben wir die Schur versäumt - wegen dir!«
    Elmar gab klein bei, da Courvenal recht hatte. Er kannte sich auch mit der Zeit nicht so gut aus. »Vor morgen Abend bin ich aber nicht zurück«, sagte er mit einem Seufzer, denn es fiel ihm schwer, sich für so lange Zeit von seinem Klosterbruder zu trennen.
    »Nimm dir etwas zu essen mit und für den Schäfer einen Beutel mit getrockneten Pilzen. Dann freut er sich und leitet die Schafe zum Scheren vielleicht sogar her zu uns.«
    »Idea magnifica!« Elmar war begeistert von der Vorstellung, den Klosterhof voller Schafe zu sehen, so wie es sich ja auch die Apostel in ihren Schriften im Heiligen Buch wünschten. Er machte sich bald auf den Weg. Courvenal packte seine wenigen Sachen und eilte hinunter zum Hafen.
    Das Schiff näherte sich, legte an, Courvenal trennte den Schaft seines Schuhs auf, zog eine Goldmünze daraus hervor und zeigte sie dem Kapitän. Der erklärte sich sofort bereit, ihn als Passagier aufzunehmen und darüber hinaus noch Mehl, getrockneten Fisch, Salz, einen Becher Zucker und sogar etwas gedörrtes Fleisch für Bruder Elmar am Strand zurückzulassen.
    Als sich das Schiff in der Mittagszeit von der Küste entfernte, stand Courvenal am Heck, und Wehmut ergriff ihn. Er stellte sich vor, wie Elmar aus den Bergen zurückkehrte und sich damit abfinden musste, dass er wieder allein war, Abt und Mönch zugleich, der einzige Diener des Herrn im Kloster Fidgrow, über dessen Namensgebung Courvenal niemals einen Aufschluss bekommen hatte. Und weil es sinnlos war zurückzublicken, ging er zum Bug des Schiffes und schaute aufs offene Meer hinaus.
    Während der Fahrt, die bis in den September hinein andauerte, steuerten sie viele kleine Häfen an der Küste Britanniens an. Courvenal zählte die Stationen nicht. Wenn sie anlegten, ging er nie an Land aus Furcht, sie könnten ihn dort zurücklassen. Den Seeleuten traute er nicht. Es war ein Volk ohne Besitz und Heimat und deshalb auch ohne ein Gefühl für das Recht.
    Manchmal, wenn sie geankert hatten, richtete er sich an Deck auf und bestaunte die Natur und die Landschaft. Er blickte auf schroffe Felsen oder auch grüne, dichte Wälder. Als er einmal das entfernte Bellen von Hunden hörte, das über den Baumkronen lag wie das Geräusch in einem Traum, stellte er sich vor, dort zwischen den mächtigen Bäumen fände gerade eine große Jagd statt. Als er zwischen dem Bellen eine wunderlich schöne Melodie aus einem Jagdhorn vernahm, horchte er auf. Solche Töne, die aufeinanderfolgten und ineinandergriffen, waren selten zu hören. Nur Tristan hätte er solche Freiheiten im Umgang mit dem Horn zugetraut. Dass es aber Tristan, sein Schüler, sein könnte, der dort in der Ferne auf der Jagd war, erschien ihm ganz unwahrscheinlich. Gleichwohl versuchte er, noch genauer hinzuhören, und verspürte dabei eine ungewohnte innere Erregung. Doch weil alles so fern war, verloren sich die Töne wieder, und nur noch das spitze Gekläffe der Hunde schallte herüber. Da zog er sich auf seinen Platz an Bord des Schiffes zurück und widmete sich seiner täglichen Beschäftigung.
    Er hatte sich aus der ehemaligen Klosterbibliothek von Fidgrow die letzten vier Bücher mitgenommen, die Bruder Elmar noch nicht in seinem Kamin verbrannt hatte, und las die Sätze darin, indem er sie wie im Zwiegespräch laut vor sich hin sprach. Die Schiffsleute ließen ihn gewähren. Der Alte, wie sie ihn nannten, weil ihm über die Zeit ein beträchtlicher Bart gewachsen war, verlangte nichts von ihnen und schien sich selbst genug.
    Courvenal saß meistens in der Nähe

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