Tristan
war, seinen Namen auszusprechen, sich auch an die Verkürzung gewöhnt hatte und meist diese benutzte, reagierten die Leute mit Kopfschütteln auf sein Flehen.
»Venal? - Hier kennt man keinen Venal!«, sagten sie.
Ein Stück des Weges zur Burg hin wurde er von einem Händler auf seinem Pferdewagen mitgenommen. Den Rest der Strecke bis zum Burgtor schleppte er sich von einer Wegbiegung zur nächsten. Nicht anders als die Stationen des Kreuzwegs unseres Herrn, dachte er, wenn er sogar des Nachts nur ein paar Schritte vorwärtskam.
Als er endlich auf der Holzbrücke vor dem ersten Tor strauchelte und liegen blieb, wollten ihn die Wächter gleich wieder fortschicken. Doch selbst dazu war er zu schwach.
In seiner Not sprach er mit seinen trocken aufgesprungenen Lippen mehrmals den Namen Tristan aus. Das meldete einer der jungen Wachsoldaten Linnehard. Der ließ sich zu dem Bettler führen. Auch er erkannte Courvenal nicht wieder.
»Was weißt du über Tristan?«, fragte er den Mann, der sich wie ein verletztes Tier zu seinen Füßen wand.
»Alles«, war das einzige Wort, das Courvenal noch äußern konnte.
Linnehard lachte trocken. »Was meinst du, wie viele von deiner Sorte hier schon ihr Glück versucht haben, um uns zu täuschen und ein paar Stücke Brot zu erbetteln, nur weil sie von Tristan und seiner Entführung gehört haben. - Lasst ihn liegen, bis er sich davonmacht!«, befahl Linnehard seinen Leuten und wollte sich zum Gehen wenden.
Da bäumte sich Courvenal auf und versuchte, sich ganz zu erheben. »Erkennst du mich denn nicht wieder?«, schrie er mit letzter Kraft. »Nur ich weiß von dem geheimen Gang aus der Burg, weil Tristan mir davon erzählt hat. Und von Ortie!«
Dieser Name ließ Linnehard zusammenzucken. Er trat näher an Courvenal heran, ließ dessen Gesicht mit einer Fackel beleuchten und blickte in zwei Augen, die ihm vertraut vorkamen. Sofort ließ er den Mann in den Schlosshof tragen und Floräte benachrichtigen, die sich im Gespräch mit Thomas befand. Beide kamen herbeigeeilt, als es hieß, Courvenal sei zurückgekehrt. Floräte erkannte ihn sofort und schloss ihn unter Tränen in ihre Arme. Da weinte auch der Mönch. Als er aber durch seine Tränen hindurch den treuen Begleiter Thomas erkannte, seinen Namen aussprach und deswegen in seinem fiebrigen Zustand sogar vermutete, er hätte den Verfasser des Buches vor sich, das ihn so sehr beschäftigt hatte, begann er zu lachen und sich zu freuen wie ein Kind, das seine Eltern wiedergefunden hatte.
Wo Tristan sei, nein, das wisse er nicht. - Und Rual?
Darauf konnten die anderen ihm keine Auskunft geben.
Aber Tristan …
Ja…?
Sei sicher noch am Leben. Und der Marschall?
Kein Sohn ohne Vater … und wenn nicht…
Floräte stockte der Atem. … im Sohn der Vater.
Floräte nickte und bekreuzigte sich. Ihr Haar hatte weiße Strähnen bekommen. Ihr Blick war voller Sorgen, aber nicht ohne Hoffnung. Courvenal war ein Bote für sie, ein Bote des Glücks.
Elftes Buch
DER VERLORENE VATER
Kapitel 183-193
Wo ist Rual?< ~ 183 ~ »Was wird aus Parmenien?<
Einen Monat nachdem er sich auf die Suche nach Tristan gemacht hatte«, sagte Floräte, in deren Augen sich Tränen sammelten, »nach einem Monat kehrte Ruals Schiff an unsere Küste zurück - ohne meinen Mann. Kannst du dir vorstellen, was dies für mich bedeutet hat? - Kannst du nicht! Du hast niemals jemand anderen gehabt als dich selbst und - deinen Gott. Doch den kann man nicht an sich drücken. Wie solltest du dann wissen, was Liebe bedeutet? - Ich werfe dir das nicht vor! Du bist und bleibst für immer mein treuer Freund Courvenal.«
Sie saßen im Großen Saal zusammen, Floräte und Courvenal. Mitten auf dem langen Tisch blakten zwei Öllämpchen vor sich hin. Floräte hatte sich erhoben und ging auf und ab. Sie wollte vermeiden, dass Courvenal sah, wie sie weinte.
Courvenal war wieder zu Kräften gekommen - eine Nacht tiefen Schlafs, ein heißes Bad, das ihn reinigte, frische, weltliche Kleider und vor allem der Schnitt seiner Barthaare verwandelten ihn in einen schlanken Mann in den besten Jahren. Sein gütiges Gesicht verhieß die Ruhe einer Landschaft, aus der nie etwas Böses hervortreten könnte. Das beruhigte Floräte, sie nahm ihren Platz wieder ein und berichtete weiter: »Maurice, der Kapitän, war dem Befehl seines Herrn gefolgt, ihn nach norje zu bringen. Unglückliche Winde hatten das Boot abgetrieben und an die britannische Küste verschlagen.
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