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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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des Bugs, gelehnt an einen Berg grob geflochtener Taue, an deren Ende der schwere Eisenanker befestigt war. Zwei der Bücher waren Bibeln, dem Inhalt nach ähnlich. Das dritte handelte von Gesteinen und ihrem Abbau, was ihn nicht interessierte. Das vierte aber stammte den Initialen nach von einem gewissen Thomas Aquinas, von dem er noch nie gehört hatte. Die Schrift, die auch eine Kopie sein mochte, stammte aus einem Kloster von »Colonius«, dessen Name nur einmal genannt wurde. In dem dünnen librum ging es um einige Thesen, die besagten, dass nichts allein existiere oder allein existierten könne, nur das »Nichts« selbst sei davon ausgenommen. Alles andere sei ein accidens, etwas an einem anderen Anhängendes.
    Als Courvenal diese Sätze in der frischen Meeresbrise auf offener See zum ersten Mal las, stockte ihm einen Moment lang der Atem. Die Gedanken, die sich in ihm dazu eröffneten, fielen wie Fallstricke in seine Seele hinunter, und er spürte, wie darauf eine Vielzahl von Gestalten unterwegs waren, die mit Spießen und Stacheln in sein Inneres eindrangen.
    Da er befürchtete, die Bootsleute, die an ihm vorbeikamen, könnten ihm seine plötzliche Verunsicherung anmerken, drückte er sich ganz eng an den Berg der faserigen Ankertaue und verharrte dort, ohne noch ein einziges Wort aus dem Buch zu lesen. Die Verwirrung, in die er geriet, war so stark, dass sie tagelang anhielt. Dieser Aquinas stellte die Einzigkeit Gottes infrage, ohne dies explizit zu wollen. Denn wenn es Gott nur im Glauben seiner Anhänger gäbe, wäre Gott nicht selbstständig und aus sich heraus. Courvenal war ratlos. Er wünschte sich, dass diese Reise, die ihn, wie der Bootsführer versprochen hatte, nach Conoêl zurückbringen würde, noch lange Zeit dauern würde, eine Zeit, die er brauchte, um jedes Wort dieses Aquinas genau zu studieren.
    »Er liest in dem Buch sogar, wenn der Mond scheint«, sagte einmal einer der Bootsleute über Courvenal, der sich nur noch auf sein Schlaflager begab, wenn die Nacht mit völliger Dunkelheit über das Schiff hereinbrach. Öllämpchen oder Kerzen hatte ihm der Kapitän irgendwann verweigert, weil er um den Bestand fürchtete, den er für Notfälle bereithielt. Mit Courvenal mochte er darüber auch nicht mehr streiten oder diskutieren, denn der Mann, der sich mit dem Namen »Venal« vorgestellt hatte, wurde immer sonderlicher und nahm kaum mehr Essen zu sich.
    So näherten sie sich der normannisch-bretonischen Küste. Es zog eine Sturmfront auf. Der Kapitän verlangte von allen an Bord, sich in Sicherheit zu bringen, die See sei tückisch. Auch Courvenal wurde mehrmals gebeten, das Schiffsinnere aufzusuchen. Doch das lehnte er ab. Nie mehr würde er sich in seinem Leben unter Deck in einem geschlossenen Raum aufhalten. Man wies ihn auf die dunklen Wolken am Horizont hin, auf die unruhige See, den Wind, der zum Sturm würde, und beschwor ihn, doch vernünftig zu sein, in ein paar Sanduhrstunden würden sie das Ufer erreichen!
    Er weigerte sich.
    Der Sturm kam. Courvenal ließ es zu, dass das Meer sich über ihn ausschüttete, der Regen wie aus Eimern sich über ihn ergoss. Er verbarg das Buch des Aquinas zusammen mit dem über die Natur, das ihm am ältesten schien, unter seinem Mantel. Die Bibeln, die er stets mit sich herumtrug, waren schon von den Wellen weggespült worden. Woge um Woge stürzte über ihn, während er sich an die Taue klammerte.
    Dieses Bild ertrug der Kapitän nicht länger. Er befahl seinen Leuten, diesen Wahnsinnigen vor seinem eigenen Untergang zu retten. Sie krochen an ihn heran, zerrten ihn an seinen Kleidern zur Bootsmitte und schleppten ihn unter Deck.
    Nicht viel später hatte sich das Unwetter verzogen, die Sonne brach zwischen den Wolken hervor, die Küste war zu sehen. Das Schiff erreichte sicher den Hafen von Conoêl. Fässer und Warenbündel wurden gelöscht, andere eingeladen, und schließlich half man auch Courvenal an Deck. Mit durchnässten Kleidern stieß man ihn über die Planken auf den Kai.
    »Fast hätten wir ihn vergessen!«, lachte der Kapitän, schüttelte den Kopf, lachte wieder, noch fürchterlicher, und befahl seiner Besatzung, die Taue einzuholen und abzuleg en.
     
    Der Bettler ~182~ Der Bote des Glücks
     
    Drei ganze Tage dauerte es, bis Courvenal die Burg Conoêl erreichte. Erst wurde er von einer alten Frau am Hafen gefunden, die ihm Wasser und etwas zu essen brachte. So blieb er wenigstens am Leben. Niemand erkannte ihn, und da er zu schwach

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