Tristan
ist dein Name und was hast du erlebt?«
Ein einziger langer Schluck reichte, dann war der Becher leer.
»Cill nennt man mich«, sagte er daraufhin und rülpste leise. »Ich bin Waffenknecht am Hofe von Morgan, dem Wilden. Dort, auf der anderen Seite des Meeres. Plötzlich hieß es, Parmenien hat wieder einen König. Er ist mit vielen Rittern übers Meer aus Britannien gekommen, um seinen Vater zu rächen. Morgan und Darragh, sein Marschall, haben erst darüber gelacht. Aber plötzlich stand er vor ihnen. Es war im Hof der Burg. Morgan sagte zu dem kint, er soll ihm den Zins bringen, aber dafür muss er nicht selbst kommen. Da hat…«
»Wie heißt das kint?«
»Tristan, der Name.«
»Wie sieht er aus?«
»Jung. Mit gelbem Haar. Eine silberne Rüstung, blaue Pferdedecke, ein Ross von der anderen Welt, das konnte man sehen.«
»Was tat er?«
»Er forderte die Einhaltung der Lehnsrechte seines Vaters zurück.«
»Und Morgan?«
»Lachte.«
»Und Tristan?«
»Schleuderte eine goldene Kugel direkt in den lachenden Mund. Sie flog schneller als ein Pfeil.« Cill schwieg.
Isolde hatte den Atem angehalten. »Und dann?«, stieß sie schließlich ungeduldig hervor.
»Dann riss der Kopf meines Herrn auf.« Cill schloss die Augen. »Wie das: riss der Kopf auf?«
»Der Kopf spaltete sich von innen. Alles kam heraus, was in einem Kopf ist, wie bei einem Schaf. Ich will es nicht mehr sehen. Die Augen, das Blut. Der Herr stürzte zu Boden wie ein Balken, den man fallen lässt. Der Parmenier ging zu ihm hin, holte die Kugel aus dem Kopf und steckte sie in einen Beutel an seinem Gürtel. Da sah ich, dass sie golden war. Sie glänzte. Es war nichts an ihr. Kein Blut, kein Schleim, keine Knochensplitter. Das lag alles auf dem Boden. Der mächtige Darragh war weiß vor Angst. >Die Kugel, die Kugel<, stammelte er, >ich habe sie schon einmal gesehen in der Hand eines kleinen Jungen.< >Das war ich<, sagte der Parmenier, warf seine Lanze und durchbohrte damit Darraghs Herz. Und dann kamen die Reiter des Parmeniers, es waren auch Britannier darunter, und schlugen um sich. Da bin ich geflohen. Meine Rettung war ein kleines Boot im Hafen. So ist es gewesen. Mehr weiß ich nicht.«
Isolde hatte etwas Derartiges nie zuvor gehört. Cill stand vor ihr wie eine Puppe aus Stroh, zerfleddert, wesenlos und erstarrt in den Bildern seiner Erinnerung. Sie schickte ihn weg.
Einige Tage später erreichte ein zweites Schiff die Küste, wieder mit einigen der Flüchtenden an Bord, die neue Nachrichten brachten und die vorhergehenden bestätigten. Morgan lebte nicht mehr, sein Land war in der Hand des Parmeniers, ein neuer Verwalter war eingesetzt, Morgans Anhänger alle getötet. Das Volk jubelte dem neuen König zu, es herrschte Frieden. Und wieder wurde der Name Tristan genannt. Isolde begann der Kopf zu schmerzen, wenn sie ihn nur hörte. »Verflucht sei er!«, flüsterte sie, als Isôt sie besuchte, um ihr endlich die neuen Kräuter zu zeigen und sie den heilenden Sud schmecken zu lassen, den sie daraus gebraut hatte.
»Gift brauche ich, kein Elixier. Gift, mein Kind, an dem er sterben soll!«, sprach sie zur Seite.
»Von wem redest du, Mutter?«
»Nichts, von niemandem! Lass den Saft hier und geh wieder auf die Wiese. Sag Heggen, er soll nach Morolt schicken, meinem Bruder. Britannien soll leiden. Noch bestimmen wir, was dort geschieht! Geh jetzt, geh!«
Isôt stellte das Etui ab, das sie sorgfältig mit einem Stöpsel aus Weidenholz verschlossen hatte, legte die getrockneten Kräuter daneben in eine Schale und zog sich eilends zurück. Sie hatte gesehen, wie sich ihre Mutter unter den Haaren an den Kopf gefasst hatte, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie an Schmerzen litt und dunklen Gedanken. Dann sollte man nicht in ihrer Nähe sein. Sie schickte Heggen zu Morolt, einem Mann, der dreimal so groß war wie sie und zu den Stärksten im Königreich gehörte, und lief geängstigt von dem, wie sie ihre Mutter vorgefunden hatte, zu Brangaene. So gut sie konnte, berichtete sie der Zofe von dem Vorfall, in der Hoffnung zu erfahren, was dieser Name Tristan zu bedeuten habe.
»Nichts, gar nichts«, sagte Brangaene und wischte mit der Hand durch die Luft. »Nur ein Name. Achte nicht darauf. Wir haben noch so viel zu tun. Es gibt jede Menge neue Wörter, die du lernen musst, Benedictus kommt bald mit seiner lateinischen Bibel, und da steht außerdem die Laute, die du schon seit Tagen nicht mehr angerührt hast.«
Isôt stöhnte. Sie wollte
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