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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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lodernder Stern mitten im Wasser. Im Maßstab war zu erkennen, wie lange er zur Ankunft brauchen würde. Drei Glasstunden. Die Marschallin, von mir unterrichtet, befahl sofort einen Ausritt zur Ankunft. Erreichten den Hafen vordem Boot. Schneller ist’s auf dem Land als auf dem Meer, Wasser kann es überschwemmen, und Feinde löschen das Feuer, wenn sie es nicht brauchen. Doch das Boot näherte sich. Beiboote schickte es voraus. Die brachten die Nachricht, der König erscheine. Die Ankunft des Herrn! Erschütterung der Seele des Curtius, me ipsum.
    Dann kam das Schiff dem Hafen ganz nahe. Wieder wurde ein Boot abgesetzt. Knechte ruderten es bis ans Land. Da entstieg ihm unser Marschall Rual, der Vortreffliche. Er war in höfischer Kleidung wie ein Fürst, borgte sich aber die Rüstung eines Wachsoldaten und legte sie an. Erst danach wurde das Schiff vertäut. Und jetzt erschien eine Gestalt am Bootsrand, ein Jüngling in Rüstung, die im Widerschein der Fackeln, die ihn umgaben, silbern glänzte. Ich, Curtius Benedictus de Bergamo, erkannte sofort: Es war Tristan, der Sohn des Marschalls. Doch machte mir das Ritual Sorge. So empfing man nur einen Fürsten und Landesherrn, nicht aber seinen Sohn, solange man selbst nicht tot war. Auch hatten sich viele Leute am Hafen gesammelt, angelockt durch den Lärm und das helle Feuer zu dieser Stunde. Floräte, die liebreizende Marschallin, verfolgte das spectaculum von einem oberhalb gelegenen Weg aus.
    Rual, unser Marschall, hatte wohl einige Worte an die Umstehenden gerichtet, es erscholl ein Jubel. Zwei Planken wurden ausgelegt vom Boot ans feste Land, der Ritter betrat sie, und Rual ging nieder auf die Knie, um ihn wie einen Fürst zu begrüßen. Floräte schrie auf, als sie ihren Sohn erkannte, wollte zu ihm hinunterlaufen, wurde aber zurückgehalten. Das Zeremoniell, das sich am Landungssteg vollzog, schien so befremdlich, dass sogar die Zofen und Mägde über die offxciis so erstaunt waren, dass sie ihre Herrin davon abhielten, ihre Gefühle allzu sehr zu zeigen. Zeiten später wussten auch wir, dass Tristan nicht mehr ihr Sohn war, weil er als Fürstnachfolger Riwalins nach Conoêl zurückkehrte. Tempora mutantur in Gottes Namen, hier verzeichnet, außerhalb der Sternenkunde vom Verlauf der Ewigkeit Gottes, die über uns herrscht.
    So endet der Eintrag von Curtius, den er bis auf einige spätere Zusätze noch am frühen Morgen desselben Tages verfasste. An Schlaf war nicht zu denken gewesen. Es war weit nach Mitternacht, als die gesamte Horde in die Burg Conoêl einritt. Curtius sah mit an, wie Tristan Courvenal umarmte und nicht von ihm lassen wollte, wie freudig er Thomas begrüßte, wie er Floräte an seine Seite bat, die ehrfurchtsvoll immer einen Schritt hinter ihm blieb, und er sah, wie Rual bei einer Mauer die geborgte Rüstung ablegte und in das Kleid des Marschalls schlüpfte, das ihm ein Knappe gebracht hatte.
    Dann verschwanden die Herrschaften im Haupthaus, als es schon dämmerte und der Himmel sich einfärbte, um die dunkle Klarheit des Firmaments zu verstecken. Curtius erlebte diesen Moment selten, weil ihm nur die Nacht gehörte. Mit der Morgenröte konnte er nichts anfangen. Sie verbarg dem Blick das Wahre. So schlich er schnell in sein Refugium zurück, machte seine Notizen und warf sich auf sein Lager mit weit über den Kopf gezogener Decke, um nicht von den ersten Lichtstrahlen der Sonne geblendet und wach gehalten zu werden. Er wollte, was auch geschah, den Tag bei geschlossenen Augen verbringen.
     
    Täuschung ~195~ Pläne
     
    Nachdem sich auf Conoêl die erste Aufregung gelegt hatte, Gottesdienste zelebriert und Feste gefeiert worden waren und Blancheflur und Riwalin umgebettet in der Krypta der Kapelle lagen, wie es einem Königspaar zustand, begann Tristan gemeinsam mit Rual, Thomas und Courvenal mit der Aufstellung einer Streitmacht. Neue Ställe wurden gebaut, Boten und Werber ausgesandt und Läufer geschickt, um Morgans Verhältnisse auszuspähen. Die Berichte, die von dort kamen, waren zufriedenstellend. Morgan hatte zwar davon gehört, dass Parmenien nun wieder einen rechtmäßigen Herrn aufweisen konnte, des früheren Königs Sohn, hieß es, doch dass konnte in ihm nur Lachen erzeugen.
    »Etwas anderes als eine Täuschung kann das nicht sein«, sagte er zu Darragh, der ihm grinsend beipflichtete. »In drei Monaten ist der Zins fällig, und wahrscheinlich sind sie damit in Not. Sie halten uns für dumm, glauben, dass wir es nicht gemerkt

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