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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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nicht lernen, weder fremde Sprachen noch das Spiel auf irgendwelchen Instrumenten. Sie wollte nach draußen laufen zum Waldrand, den Vögeln zuhören, vor allem dem Gesang der Nachtdrossel, den sie so schön und melodisch nie würde nachahmen können durch das Anschlagen der fasrigen Saiten auf der Laute.
    »Was weißt du von diesem Tristan?«, fragte sie Brangaene noch einmal, um von den Aufgaben, die ihr bevorstanden, abzulenken. Sie wusste, dass die Zofe gern über andere Leute redete.
    »So heißt einer, ein Mann, nicht viel älter als du, erzählt man sich - mehr weiß ich auch nicht. - Hol dein Schreibbrett!«
    »Natürlich weißt du mehr. Bevor du mir nicht alles von ihm erzählt hast, bewege ich mich keinen Fußbreit von der Stelle fort, auf der ich stehe.«
    Da sah Brangaene Isôt an und musste lächeln. Sie war schön, wie eine junge Frau in ihrem Alter nur schön sein konnte. Die Haut war glatt und weich, das Haar floss ihr auf die Schultern, keine Spur von Verschlagenheit trübte ihren Blick, jede Bewegung ihrer Hände zeugte davon, wie arglos sie war. Längst war sie kein Kind mehr und auch nicht mehr abzuspeisen durch billige mcere, mit Ausreden oder Ablenkungen. Brangaene durfte sich nichts vormachen. Isôt mit ihrer strengen, unberechenbaren und stolzen Mutter, mit ihrem dreinschlagenden, lauten Vater - Isôt war dagegen ein so zartes Wesen, das von all der Willkür und von allem Misstrauen ferngehalten werden musste. Die Zofe tat ihr Bestes dazu. Deshalb auch wollte sie ihr nichts davon berichten, was sie über diesen Tristan erfahren und gehört hatte. Denn das berührte die Streitigkeiten zwischen den Völkern, da ging es um Macht und Erbschaft, um Rache und Unterwerfung, da ging es um Überleben oder Sterben. Und damit sollte ihre Isôt nichts zu tun haben. Unschuldig und schön sollte sie bleiben, wie es nur der sein konnte, für den Unrecht, Schicksal und Tod gar nicht erst existierten. Sie sollte, was sie umgab, ehren und daran glauben, durfte aber niemals in Liebe dazu entbrennen. Denn in der Liebe beginnt der Schmerz, in der Vereinigung die Trennung, in der Sehnsucht das Leid. Die Neugier aber, die bohrende Neugier, das war für Brangaene das Schlimmste. Dort lag der Anfang des Untergangs.
    »Tristan«, sagte sie deshalb und verunstaltete den Namen, indem sie ihn wie >Trist-aan< aussprach - und >aan< galt als eine schlechte Wortendung bei den Druiden -, »ist jemand, der schon längst vergeben ist. Wahrscheinlich hat er eine krumme Nase, eine flache Stirn, zieht sich dauernd am Ohr, schnalzt mit der Zunge und bohrt sich mit dem Finger in der Nase herum. Vergiss ihn. Hol jetzt das Wachsbrett! Benedictus wird gleich da sein. Er bringt seine Bibel mit. Darin steht die Wahrheit. Und wenn er gegangen ist, laufen wir zum Waldrand und ich zeige dir, wie mein Vater die Steine wirft.«
    Kaum hatte Isôt das gehört, begannen ihre Augen zu leuchten. Sofort vergaß sie den Fremden und wechselte von einem Geheimnis zum anderen, das doch so viel näher lag: zu der Welt der Vorahnungen und der Rätsel, zu Hägon, Brangaenes Vater. Sie holte die Wachstafel. Die Lektion mit Benedictus aus der Heiligen Schrift würde sie ertragen können. Es war das kleinere Übel, etwas über jemanden zu erfahren, der vor endlos langen Jahren von den Toten auferstanden war, während man selbst noch lebte. Sein Name war Jesus. Der andere Name - Tristan - vergrub sich in den tieferen Schichten ihrer Gedanken wie die fremden Worte, die sie zu lernen hatte, im Wachs ihrer Tafel, wenn sie, um neue zu lernen, über die alten wischte mit dem glatten Plättchen aus Zedernholz, das sie liebte, weil es ihr so anschmiegsam in der Hand lag.

Zwölftes Buch
     
    DIE RACHE DES KÖNIGSSOHNS
     
    Kapitel 194 -203
     
    Ruals Rückkehr ~ 194 ~ Tristan, der König
     
    Der Tag, an dem Rual und Tristan glücklich an die Küste Parmeniens zurückgekehrt waren, ging in die Chroniken ein. Sogar der Mönch Curtius verzeichnete ihn in seinem Buch, das der Aufzeichnung der Sternbahnen vorbehalten war, mit einer ausführlichen Bemerkung in ochsenblutfarbener Tinte, als hätte er einen neuen Himmelskörper entdeckt.
    Der verloren geglaubte Marschall und sein wiedergefundener Sohn, schrieb er, kamen aus den irdischen Fluten mit einem Schiff, begleitet von vierzig Reitern des Königs von Cornwall. Sie kamen des Nachts, und es schien, ihr Boot würde brennen. Bei klarer Sicht von Weitem zu sehen wie ein Küstenleuchtfeuer, das auf uns zuschwamm. Ein

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