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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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schnell feststellen können, wie sie sich in der langen Zeit ihrer Gefangenschaft verständigt hatten. Sie kannten ihn nicht, das war sein Vorteil. Er konnte ermessen, wie ehrlich sie zu ihm waren.
    Die Tür ging auf. Wachsoldaten führten zwei Männer in den Saal, die kaum voneinander zu unterscheiden waren, wären nicht ihre Haare gewesen: die des einen mit einem roten Schimmer, die des anderen grau wie die eines Alten. Sie waren notdürftig gesäubert worden, aber Floräte hatte sich nicht die Zeit genommen, ihnen auch neue Kleider überziehen zu lassen. Da sie auf dem Weg aus dem Turm helles Sonnenlicht geblendet hatte, kniffen sie die Augen zusammen.
    Tristan wies die Wachen an, sie am Ende des langen Tisches auf Stühle zu setzen und ihre Hände daran festzubinden. Dann schickte er die Soldaten weg und stellte die Öllämpchen so vor den beiden auf, dass sie von dem flackernden Licht irritiert wurden und den Raum dahinter kaum erkennen konnten.
    »Wer seid ihr, und woher kommt ihr?«, fragte er.
    »Herr, wir sind unschuldig.«
    »Eure Namen!«
    »Dorran.«
    »Hoggard.«
    »Woher?« Tristan wusste bereits, dass Dorran aus Irland und Hoggard aus Britannien kommen musste. Ihre Sprache verriet sie. Er wollte die Antworten von ihnen selbst hören. Hoggard gab gleich zu, dass er ein Knappe König Markes war.
    »Knappe?«, fragte Tristan.
    »Knecht«, verbesserte sich Hoggard sofort.
    Dorran hingegen zögerte und sagte schließlich, er sei aus dem Norden. Ein irländisches Boot habe ihn hier ausgesetzt. Daraufhin stellte ihm Tristan in drei nordischen Mundarten die Fragen nach seiner Herkunft, nach seinem Alter und nach seinem Stand. Als er darauf nicht reagierte, fragte er ihn auf Irländisch: »Wer hat dich geschickt und warum?«
    Dorran schluckte nur und schwieg.
    Wieder auf Eruisch sagte Tristan, dass man zum Schweigen keine Zunge brauche. Er würde sie ihm also herausschneiden lassen.
    Eine furchtbare Stille entstand in dem Raum, bis Dorran zu schluchzen begann. Seine Königin habe ihn geschickt, gab er zu.
    »Welche ruirP.«
    »Isolde von Erui.«
    »Mit welchem Auftrag?«
    »Einen Jungen namens Tristan zu entführen.«
    »Warum?«
    »Das hat sie nicht gesagt. Die Druiden haben ein Unheil vorausgesehen, das von dem Jungen ausgehen soll. Ich sollte ihn mit einem Schiff auf die Insel der Erdmutter bringen.«
    »Und das ist dir nicht gelungen?«
    »Nein, Herr, ich habe ihn nie gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob es ihn wirklich gibt. Man kennt nur seinen Namen, Tristan. Das ist alles. Mehr kann ich nicht sagen, weil ich mehr nicht weiß.«
    Tristan rief die Wachen. Sie mussten Dorran die Augen verbinden und ihn zurück in den Turm bringen. Hoggard ließ Tristan von den Fesseln befreien, gab sich ihm zu erkennen und versuchte, ihm zu erklären, in welcher Lage er sich befand. Der Knecht schien kaum etwas zu verstehen, sondern fragte immer wieder dazwischen, ob man Blancheflur gefunden habe, er müsse es seinem König melden, dann stünde ihm noch eine Goldmünze zu. Da Tristan ihm keine Antwort geben konnte, die er wohl hören wollte, verlangte Hoggard schließlich, in den Turm zurückgebracht zu werden zu seinem Freund Dorran.
    »Du bist kein Gefangener mehr«, sagte Tristan, »du bist frei. Man wird dich waschen und neu einkleiden, und du wirst essen können, was du verlangst.«
    »Ich will zu Dorran. Er kann so viel erzählen - mit verstellter Stimme. Von nun an kennt er auch deine.«
    Tristan wusste nicht, was der Mann ihm mitteilen wollte, und übergab ihn zwei Knechten. Schon einige Tage später segelte Hoggard in seine Heimat zurück. Für jeden Monat, den er im Turm verbracht hatte, wurde er mit einem Silbergulden entschädigt.
    Dorran hingegen wurde noch einen ganzen Monat lang im Turm festgehalten, bis ihn ein Handelsboot mitnehmen konnte zur irischen Küste. Er erhielt neue Kleider und einen kleinen Beutel mit Münzen, damit er nicht ganz mittellos war, wenn er zurückkehrte. Außerdem wurde ihm mit aller Gewalt ein Ring über den Mittelfinger seiner rechten Hand gestreift, der über dem Knochen saß wie eingewachsen. Und Tristan übergab ihm eine in schweres Tuch eingeschlagene Wachstafel. Darauf hatte er mit ein paar Strichen ein Gesicht gezeichnet, das dem des gesuchten Tristan sehr ähnlich sei. Die Tafel sollte Dorran seiner Königin aushändigen. Ein Soldat aus Linnehards erster Garde sollte Isoldes Knappen auf dem Seeweg begleiten und dafür Sorge tragen, dass der Verwirrte sie auch wirklich

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