Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
ungeschickt. Seine Stimme habe ich nicht gehört, nur ein erbärmliches Krächzen wie von den Dohlen, wenn sie die Toten besuchen. - Heggen!«, schrillte es plötzlich durch den Raum.
    Der Knecht erschien, stellte sich hinter Dorran und wartete.
    »Bring ihn weg!«, sagte die Königin und wandte sich ab. »Du weißt, wohin. Ich will ihn nie wieder sehen. Zwölf Silberdenare hab ich ihm gegeben, und dafür berichtet er von einer Stimme, die jung ist und von jemandem stammen soll, der singen kann. Lächerlich! Raus mit ihm!«
    Dorran fühlte einen Schlag in den Rücken. Willenlos taumelte er vorwärts, wollte sich zum Eingang wenden, Isoldes Knecht dirigierte ihn mit seinem Stock zu der Tür, die zu einem Nebenhof führte, genau dorthin, wo sie den Leuten … Dorran schwindelte. Sein Ende war gekommen. Ich habe nichts Böses getan, wollte er schreien und um sein Leben flehen, aber er brachte kein Wort hervor, schwankte durch die enge Tür nach draußen, sah den Holzpflock, auf den er gleich seinen Kopf legen müsste. Vor Angst schloss er die Augen, Urin rann ihm am Bein hinunter, dann verspürte er wieder einen Schlag in den Rücken.
    »Weiter!«, herrschte Heggen ihn an. »Du kennst doch den Weg besser als ich. Melde dich beim Stallknecht und geh ihm zur Hand. Wage es nicht, dich vom Hof zu entfernen, oder die Königin lässt dir den Kopf abschlagen. Und komm nicht mehr in ihre Nähe, du hast es selbst gehört.«
    Erst als er draußen auf dem Weg stand, der zu den Ställen führte, roch er seinen Angstschweiß. Mit unsicheren Schritten ging er den Weg vom Hügel hinab zu den Verschlagen. Als Knabe hatte er dort angefangen, der Königin zu dienen, bis er nach und nach aufgestiegen und zu ihrem Knecht geworden war. Nun erwarteten ihn wieder die Ziegen und Schafe, deren Ställe er sauber halten musste. Der Knecht, dem er zugeteilt war, führte ihn ohne viele Worte zu den Pferden und wies ihm dort seinen Schlafplatz an. Vorher musste er alles, was er am Leib trug, abgeben, seine Kleider, den Gürtel und den Beutel mit den Münzen. Stattdessen bekam er Hose und Hemd aus Jute, zwei Pferdestriegel, eine irdene Schale für sein Essen und einen Krug, um sich Wasser zu holen. Auf beides, riet ihm der Stallknecht, solle er besonders gut aufpassen, damit die Gefäße nicht entzweigingen, sonst blieben ihm für die Suppe und das Waschen nur noch die eigenen hohlen Hände.
    Dorran schlief in dieser ersten Nacht auf seinem Bett aus Stroh sehr unruhig. Träume rüttelten ihn immer wieder wach, Träume, in denen er versuchte, die Stimme von Hoggard, dem Britannier, nachzuahmen, um sich mit ihm zu unterhalten.
    Als schließlich sein erster Arbeitstag begann und er sich um die Pferde kümmern musste, redete er dabei leise vor sich hin. Quin, der Stallknecht, fand dies merkwürdig, ließ ihn aber gewähren, weil die Pferde ruhig wurden, wenn Dorran mit ihnen sprach. Er wunderte sich in den folgenden Tagen und Wochen immer mehr darüber, dass der Stallknecht ganz verschiedene Stimmen zu haben schien und so klang, als würde er sie ausprobieren. Erst dachte er, es sei jeweils eine Stimme für ein bestimmtes Pferd, auf das er leise einredete. Dann hörte es sich an, als würde Dorran mit den verschiedenen Stimmen, in die er wechseln konnte, wie mit anwesenden Personen Gespräche führen. Manche klangen gepresst und ungehalten, andere wieder freundlich, fast weiblich.
    Eine Stimme war darunter, die hatte einen besonderen Klang, als würden die Worte gesungen. Um die Worte selbst ging es dabei gar nicht. Es waren stets dieselben, einfachen Worte, die man so sagt, wenn man mit Tieren spricht, sie zurechtweist, sie beruhigt. Quin ertappte sich dabei, dass er plötzlich in seinen Bewegungen innehielt und nur noch lauschen konnte. Dies geschah so lange, wie Dorran in dieser gewissen Stimmlage vor sich hin sprach. Wie verzaubert kam sich Quin dann vor. Wechselte Dorran den Ton, erwachte der Knecht wie aus einem Tagtraum und fragte sich, was geschehen war. Je öfter ihm dies widerfuhr, umso mehr verunsicherte es ihn. Da eine bestimmte Sprechlage Dorrans sogar Regungen in Quinns Geschlecht erzeugte, wurde ihm das Ganze immer unheimlicher. Schließlich ging er zu Pater Benedictus und beichtete. In seinem Stall lebe ein Teufel, sagte er, der ihn verführen wolle.
    »Hat der Teufel einen Namen?«, fragte Benedictus zurück und musste gähnen, weil er schlecht geschlafen hatte und von der Einfältigkeit des Stallknechts wusste, die ihm in sein breites

Weitere Kostenlose Bücher