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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Gesicht und den dumpf daraus hervorblickenden Augen eingeschrieben zu sein schien.
    »Dorran«, sagte Quin ohne Zögern.
    Da horchte Pater Benedictus auf. Er ging zu den Ställen, wo der Stallknecht arbeitete, erkannte ihn wieder als den ehemaligen Knecht der Königin, verbarg sich und hörte mit an, wie er, die Pferde versorgend, in verschiedenen Stimmen sprach. Es war, als stände eine ganze Versammlung um ihn herum. Gurmûns Stimme war darunter, die der Königin sogar, die Stimme des Truchsess’, seine eigene, worüber er besonders erschrak, und fremde Stimmen, die auch noch in fremden Sprachen zu reden schienen. Es waren nur Laute, die wie fremde Sprachen klangen. Die Worte ergaben keinen Sinn, nur die Töne, die Dorran in seinem Mund erzeugte, klangen wie von fern gesprochen und im Tonfall verständlich als Rede und Gegenrede. Quin hatte recht, hier war der Teufel am Werk. Benedictus zog das Kreuz hervor, das er an einem Band um den Hals trug, hob es in die Höhe, ging auf Dorran zu und redete ihn an.
    Da drehte sich Dorran zu dem Mönch um, begrüßte ihn freundlich und fragte ihn mit der Stimme der Königin, ob Isôt heute schon ihre Lateinlektion bekommen habe.
    Benedictus wich voller Entsetzen zurück, als er diese Stimme hörte. Hätte er nicht den Knecht Dorran mit eigenen Augen vor sich gesehen, hätte er glauben müssen, Isolde würde vor ihm stehen.
    Als er einen Tag später bei der Königin war, äußerte er den Verdacht, dass der neue Stallknecht von einer schweren Krankheit befallen sei. Man sollte ihn vom Hof entfernen. Isolde pflichtete ihm sofort bei, wie sie auch sonst meistens die Ratschläge des Abts befolgte, wenn sie mit ihren eigenen Vorstellungen übereinstimmten. Dieses Mal war der Grund, dass sie glaubte, ihr ehemaliger Knecht wisse zu viel über Geheimnisse, die sie selbst nicht entschlüsseln konnte. Es gab etwas in der Zukunft, das sie und ihre Tochter bedrohte. Der Knecht Dorran hatte damit zu tun, weil sie ihn ja in die Zukunft geschickt hatte. Nun war er zurückgekehrt wie aus einer nichtssagenden Vergangenheit, die ihre Vorstellungen entleerte. Das konnte sie nicht ertragen und wollte sie nicht um sich wissen. Wenn der Knecht weg wäre, gäbe es auch diese Erinnerung nicht mehr. Deshalb hatte sie die Worte des Abts wiederholt: »Ja, ein Teufel!«
    Noch am selben Abend holten zwei Wachhabende Dorran ab und führten ihn zum Kloster. Dort wies ihm Benedictus eine Zelle zu, die sicher von außen zu verriegeln war. Durch eine Luke konnte er seinen neuen Schüler sehen und mit ihm sprechen. Er fühlte sich dabei äußerst wohl, denn er glaubte, den Teufel gefangen zu haben.
    »Wie geht es dir?«, fragte er ihn als Erstes.
    Ein Murren kam aus dem dunklen Raum. »Warum willst du das wissen, du Nichtsnutz!«, schallte es ihm entgegen - und besser und anders hätte das Gurmûn, der Fürst, auch nicht sagen können. Die Stimmen waren nicht zu unterscheiden. Benedictus war verblüfft und erschrocken zugleich. Insgeheim freute er sich. Wer weiß, wozu ihm dieser Dorran noch einmal nützlich sein konnte.
    »Bis morgen wieder«, sagte er leichthin im Weggehen.
    Darauf antwortete ihm eine Stimme, die er bisher nie gehört hatte, und die von solchem Wohlklang war, dass sie ihn zwang, auf der Stelle zu verharren. »Bis morgen, Bruder«, sagte sie, »ein neues Ruder, eine neue Welle, eine andere Quelle, so erreichen wir Land, das noch niemand gekannt, Wasser umfließt uns auf einem Ball, die Stimmen verklingen ohne Hall.«
    Die Worte waren immer leiser geworden, als hätte sich der Sänger von Benedictus entfernt. Der Mönch wagte es nicht nachzuschauen, ob sich vielleicht dieser Teufel aus der Zelle verflüchtigt hatte. Die Verse schrieb er sich an den Rand einer Kopie des Johannisevangeliums, die er gerade anfertigte. Was sie bedeuten sollten, wusste er nicht. Aber in dieser Nacht träumte er von einem Ball, auf dem Wasser floss, ohne herunterzutropfen. Als er erwachte, hörte er, wie draußen unerbittlich Eruis vermaledeiter Regen fiel.
     
    Dolche ~ 198 ~ Varianten
     
    Tristan träumte von Kämpfen. Er sah sich mit einem Schwert in der Hand, das zerbrach, wenn er damit auf den Gegner einschlug. Er ließ sich ein neues geben, auch das zerbrach. Die Bilder wiederholten sich, aber er konnte sich nicht daran gewöhnen. Vor Zorn darüber wachte er auf.
    Von diesem Tag an begann er, sich wieder im Schwertkampf zu üben. Wenn es draußen stürmte, benutzte er sogar die Kapelle dazu. Er suchte sich die

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