Tristan
schlagend, den Körper schüttelnd, als würde sie tanzen, gewahrte sie, wie eine Kiste in das Gemach getragen wurde. Sie befahl, sie zu öffnen, beugte sich darüber, fing wieder an zu jammern und laut zu klagen, griff mit den Händen hinein, zuckte zurück, als hätte sie kochendes Wasser berührt, und hob schließlich Morolts Kopf daraus hervor. Mit von sich gestreckten Armen hielt sie ihn sich wie ein Spiegelbild entgegen, weinte, schrie Morolts Namen und warf ihn wie einen Ball in die Kiste. Dann beugte sie sich erneut darüber und redete wirr. Doch mit einem Mal wurde ihre Stimme ruhiger, Töne des Erstaunens mischten sich hinein. »Was ist das?«, hörte Benedictus sie sagen, und dann griff sie wieder in die Holzkiste, hielt Morolts Kopf in ihren Händen und legte ihn wie einen wertvollen Stein, den sie gefunden hatte, auf den Tisch. »Licht!«, schrie sie. »Bringt mir hundert Kerzen!«
Heggen, zitternd auf dem Flur wartend, gab den Befehl der Königin weiter. Flackernde Lämpchen wurden gebracht. Benedictus zog sich noch weiter in eine dunkle Ecke zurück. Je mehr die Königin zu sehen schien, desto lauter wurde sie.
»Eine Zange!«, schrie sie. »Ich will eine Zange!«
Heggen brachte eine Glutzange mit zwei langen Griffenden. Isolde wendete den Kopf Morolts auf die andere Seite und nahm die Zange in die Hand.
Um genauer zu sehen, was für einen Tanz Isolde um den Schädel des Toten vollführte, wagte sich Benedictus vorsichtig aus seinem Versteck und stellte sich sogar aufrecht hin, blieb aber bei den Vorhängen des Eingangs stehen, die eine ähnlich braunrote Farbe hatten wie seine Kutte.
Isolde schien auf nichts und niemanden mehr zu achten. Sie strich mit der Zange durch das von Blut verklebte Kopfhaar des abgetrennten Hauptes und redete in einer Sprache, die Benedictus fremd war. Dann griff sie mit der Zange zu, zog etwas aus dem Kopf heraus und hielt es gegen ein flackerndes Licht.
»Da ist es!«, rief sie triumphierend, wandte sich um, fixierte Benedictus und schrie ihn an: »Komm her, du hellengrötte Bronk, komm her und sag mir, was das ist!«
Isoldes Stimme klang so gereizt und aufgebracht, und der Gebrauch eines alten nordischen Fluches schüchterte ihn derart ein, dass der Abt es nicht wagte, zu widersprechen oder gar zu fliehen. Er kannte den Zustand, in dem sich Isolde befand. Sie verhielt sich wie eine Furie. Bis in den tiefsten Keller des Klosters hinein würde sie ihn verfolgen lassen, wenn er nicht tat, was sie anordnete. Mit einem unterwürfigen »slosoon«, was in der eruischen Sprache so viel bedeutete wie »Ich bin schon auf dem Weg«, näherte er sich ihr. Zugleich kam sie ihm entgegen in ihrem wallenden Kleid und mit weit aufgerissenen Augen, hielt ihm die Zange, in der etwas steckte, entgegen und rief: »Siehst du das? Was ist das? Ist es das, wofür ich es halte?«
»Bringt es zum Licht«, bat Benedictus möglichst ruhig, und sie näherten sich beide dem Tisch, auf dem immer noch der abgetrennte Kopf Morolts lag. Es war ein furchtbarer Anblick, der Mund stand offen, die gelb-schwarzen Zähne waren zu sehen, einige fehlten oder waren ausgeschlagen, an der Wange sah man Risse und Schnitte mit geronnenem Blut, doch die Augen hatte er zum Glück geschlossen. Je mehr sich Benedictus diesem von wirrem Haar umgebenen Schädel näherte, desto mehr erwartete er, dass sich die Augen plötzlich öffneten und ihn ansahen. Er hatte Morolt, diesen Mörder, immer gehasst. Einmal hatte er …
»Sieh her!«, fuhr ihn Isolde an. »Was ist das?« Sie hielt die Zange ganz dicht an das Licht eines Öllämpchens.
Benedictus nahm zwischen den beiden Backen der Zange einen Klumpen wahr. Fein gerastert kamen daraus eiserne Zacken hervor. Das Ganze war nicht größer als ein Daumen. Es war verklebt mit Blut und Hautfasern.
»Ein Stück von einem Eisen«, murmelte er. »Man müsste es abwaschen«, ergänzte er ebenso leise.
»Wasser!«, schrie daraufhin Isolde. »Eine Schüssel mit Wasser!«
Das Wasser wurde gebracht, Isolde schwenkte darin die Zangenspitze hin und her, zog sie heraus und hielt sie Benedictus wieder vor die Augen. »Und jetzt?«, fragte sie ungeduldig.
»Ein Eisensplitter, ganz eindeutig«, gab der Mönch zu, als wäre er zu einem Geständnis getrieben worden.
»Woher stammt das Ding?«
»So scharf, wie die Kante aussieht, kann es nur von einem Schwert stammen. Morolts Knochen müssen …«
Weiter kam er nicht. Isolde schlug ihm mit der Zange ins Gesicht, schrie ihn aus dem
Weitere Kostenlose Bücher