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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Zimmer, nie wieder wolle sie den Namen ihres Bruders aus seinem Mund vernehmen. Benedictus torkelte rückwärts, wusste nicht, wie ihm geschah, und machte sich eilends davon.
    Später hörte er von Bairre, der die Holzarbeiten machte, dass er für die Königin einen kleinen Kasten hatte anfertigen müssen. Er schlug ihn mit rotem Samt aus, einem Gewebe, das er nie zuvor in den Händen gehalten hatte, es war weicher als jeder andere Stoff. Seine Frau hatte in der Mitte ein Viereck mit goldener Borte umnäht. In dieses Feld legte die Königin jenen Eisensplitter und verschloss den Kasten. Wie einen Reliquienschrein trug sie ihn zu einer Mauernische in ihrem Gemach und murmelte dabei beschwörende Worte. Sie kniete sogar vor dem Kästchen nieder, nachdem es seinen Platz gefunden hatte, kam zu Bairre zurück, belohnte ihn mit unverhältnismäßig vielen Münzen und flüsterte ihm zu, dass dort in dem Kästchen »das Ding« liege, das ihren Bruder getötet hätte. Eines Tages würde es dorthin zurückkehren, wo es einst hingehört hatte, zusammen mit all ihren Flüchen und Verwünschungen, die dem Besessenen, wie sie statt »Besitzer« sagte, nichts anderes brächten als den Tod. »Schreckliches Leiden und schrecklichen Tod!«, stieß sie hervor, und Bairre war ein Schauer über den Rücken gelaufen. Es sei ihm vorgekommen, als habe er der Königin einen christlichen Sarg abgeliefert und in dem liege nun für immer und ewig ein Toter.
    Die Überreste Morolts wurden schon einen Tag später verbrannt und die Asche in eine Grube nahe dem Königshaus geschüttet. Ein Steinmetz hatte in aller Eile einen Quader behauen, mehrere ineinander verschlungene Ringe in die Oberfläche geritzt und ein M mit einem von unten her gespiegelten M. Isolde hatte das so angeordnet. Das Zeichen sollte bedeuten, dass Morolt sich noch immer auf dem Meer befand, denn das Wasser machte alles doppelt und seitenverkehrt. Die Königin war damit zufrieden.
    Gurmûn hatte die Waffen seines Schwagers an sich genommen, dazu auch dessen gesamte Rüstung. Die Kleider mussten etwas gekürzt werden. Er konnte aber nicht verstehen, warum die Britannier die Schwerter und Dolche nicht als Beutegut behalten hatten. Um Morolt klagte er nicht, das sollten die Frauen tun. Er schwor nur, laut in den dunklen Himmel schreiend, während die Leiche seines Schwagers auf dem Holzstoß verbrannte, ewig währende Rache. Da war Isolde schon zurück in ihr Gemach gegangen. Sie ertrug die Nacht nicht und noch weniger den Tod. Für andere ordnete sie ihn an, sie selbst empfand ihn als das größte Grauen.
     
    Der Gestank ~ 212 ~ Das Zuhören müssen
     
    Als Tristan auf Tintajol erwachte, fühlte er von seinem linken Schenkel auf-.wärts nichts als Schmerzen. Das Beißen und Stechen in seinem Körper zog ihm durch die Brust bis in die Schulter und über den Hals direkt in den Kopf. Um sich herum sah er Menschen stehen, die er nicht erkannte. Zwei Männer, zwei Weiber - Marke hatte sie kommen lassen, um Tristan zu helfen. Denn die Wunde, die ihm Morolt zugefügt hatte, wollte nicht heilen. Eine gelbgrünliche Flüssigkeit trat aus ihr hervor, die entsetzlich stank. Um den süßlich beißenden Geruch zu mindern, waren um Tristans Lager zwei Brennöfchen aufgestellt worden wie in der Kirche beim Altar. Dort rauchten glimmende Harze vor sich hin und mit Myrrhe bestreute Holzkohlestückchen. Durch solchen in Spiralen aufsteigenden weißen Qualm versuchte man auch, den Verwesungsgeruch der Toten zu überdecken, wenn sie zu lange aufgebahrt gewesen waren. Tristan kannte das noch aus Conoêl und erinnerte sich an die Kapelle dort. Er sah Floräte und Rual an seinem Bett stehen und um ihn weinen, denn er konnte nichts anderes glauben als dass er gerade am Sterben und sein Bein schon von ihm abgefallen war. Er sah es neben sich liegen, riss vor Schreck die Augen auf und blickte in das Gesicht eines der ihm fremden Männer.
    »Du bist im Fieber«, hörte er Markes Stimme, wandte den Kopf, um nach ihm zu sehen, doch dabei fielen ihm vor Erschöpfung die Augen zu, und wieder roch er sich selbst. Er schämte sich dafür, wollte zur Sickergrube, weil er glaubte, der Gestank käme daher, dass er, wie er einen der Knechte hatte flüstern hören, »in die Laken schiss« und dorthin auch sein Wasser fließen ließ, eine braune Brühe, so braun wie das Bier, das er in - getrunken hatte? In …? Der Name des Ortes fiel ihm nicht ein.
    »Es ist Gift«, sagte eine krächzende Frauenstimme.
    »Was für

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