Tristan
ein Gift?« Das war Marke.
»Wahrscheinlich hat Morolt sein Schwert darin getränkt.«
»Und…?«
»Nur er und die Seinen wissen, was man dagegen tun kann.«
»Morolt ist tot!«
»Aber nicht die Seinen!«
»Die sind alle in Irland!«
»Dann bringt ihn dorthin!«
»Unmöglich! - Dummes Weib, weißt du denn nicht…«
Keine Besserung ~213~ Entschluss
Tristan war umgeben von Medici und Kräuterfrauen, die an ihm ihre Salben und Kompressen ausprobierten. Selten war er wach, meistens schlief er, immer wieder drangen Gesprächsfetzen an sein Ohr, er konnte einzelne Worte oder auch ganze Sätze verstehen, andere vergaß er, kaum waren sie ausgesprochen, ständig schien ein Gemurmel und Geflüster um ihn herum zu sein. Er musste Tee trinken, der sein Fieber senken sollte, Tücher, vollgesogen mit kaltem Essigwasser, wurden ihm auf die Stirn, über die Brust und um die Füße gelegt und seine Wunde am Bein ständig gereinigt. Der Essiggeruch verbiss ihm den Atem, er musste husten, er hasste Essig. Doch für eine kurze Zeit, so schien ihm, stellte sich nach solcher Behandlung immer wieder eine kurzzeitige Besserung ein. Er erkannte Marke und konnte mit ihm reden wie früher. »Was ist mit mir?«, wollte er wissen.
Marke schüttelte den Kopf und sah Tristan mit Tränen in den Augen an. »Weißt du, zum wievielten Male du mich danach fragst?« Tristan starrte ihn an.
»Zehn Tage sind seit deinem Kampf mit Morolt vergangen, die Wunde eitert immer noch, und weder die Kräuterfrauen noch die Medici glauben, dich heilen zu können. Man sagt« - Marke, der in all der Zeit kaum geschlafen hatte, fuhr sich mit seiner rauen Hand übers Gesicht - »man sagt, das könne nur eine einzige Person.«
»Und wer soll das sein?« Tristans Stimme wurde schon wieder schwach.
»Isolde von Irland, die Königin selbst, unsere schlimmste Feindin. Du hast ihren Bruder getötet…«
»Dann liefere mich ihr aus. Sie soll mich gesund machen und mir danach den Kopf abschlagen. Aber erst muss sie diesen Gestank von mir wegnehmen!« Tristan schien plötzlich wach.
Marke, überrascht darüber, ihn wieder ganz bei Sinnen zu sehen, rückte den Stuhl ans Lager, nahm Tristans Hand und drückte sie aus Freude und zugleich aus Schmerz. »Geht es dir besser?«, fragte er.
Tristan nickte, riss die Augen auf und blickte an Marke vorbei in den Raum. »Was ist mit Isolde?«
»Sie hat angeordnet, dass jedes britannische Boot oder Schiff, das sich der eruischen Küste nähert, versenkt wird, gleichgültig, woher aus England es kommt, gleichgültig, was es will, ob es nun Korn bringt oder Musikanten, die doch - mon dieul - nichts anderes im Gepäck haben als ihre schönen Lieder. Allen misstraut sie, alle Britannier verflucht sie … - Tristan, hörst du mir noch zu?«
Marke sah, dass Tristan wieder die Augen geschlossen hatte. Auf seine Frage antwortete er nicht, doch es entstand in dem Gemach eine andere Stille als sonst. Längst waren die Ritter und die Knechte, die zeitweise darin genächtigt hatten, umquartiert worden. Niemandem mehr war der faulige Geruch, den Tristans Wunde ausströmte, zuzumuten, niemand wollte sich länger als nötig in diesem Zimmer aufhalten. Sogar Helen, die Magd, hatte den Gestank irgendwann nicht mehr ertragen können und war zu ihrem Mann zurückgekehrt. Die Kräuterfrauen hatte man heimgeschickt, weil sie nichts gegen die Krankheit ausrichten konnten. Nur ein alter Medicus blieb, der Barran hieß. Er schlief im Flur auf einem Fell. Marke vermutete, dass er nur noch deswegen da war, weil er sonst keine andere Unterkunft finden konnte. Der König von Cornwall selbst war es schließlich, der als Einziger immer wieder zu Tristan kam, ihm frische Tücher brachte, eine Schüssel mit Suppe, einen Kanten Brot oder auch einen Becher Wein. Den Mägden und Knechten befahl er, ihm täglich die Kleider zu wechseln oder neue Laken aufzuziehen, und er verstand das Stöhnen seiner Dienstleute, die sich, bevor sie den Raum zu betraten, Wollfetzen in die Nasenlöcher steckten, um nur noch durch den Mund atmen zu können. Marke tat das Gleiche, anfangs hatte er sich dafür geschämt, weil er es seiner nicht würdig fand. Doch der Geruch …
»Tristan, schläfst du?«, fragte er leise.
Marke erwartete gar keine Antwort, wollte schon wieder gehen, da öffnete Tristan die Augen. »Ich brauche ein Boot, einen Segler«, sagte er und blickte Marke an. Es schien ihm schwerzufallen, die Augen auf einen Punkt zu richten, sie irrten immer
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