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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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wieder ab, fanden aber zu Marke zurück.
    »Einen Segler?« Marke zögerte. »Soll ich deinen Vater, soll ich Rual holen lassen?«
    »Ein Boot für mich.« Tristan atmete flach. »Was willst du damit?«
    »Nach Irland fahren.«
    Marke schüttelte verwundert den Kopf. »Du hast doch gehört, was ich dir von Isoldes Anweisungen erzählt habe.«
    »Morgen früh soll es ablegen.« Tristan hatte den Kopf zur Seite gewandt und sprach jetzt zum Fenster hin, durch dessen eingefügte Scheiben mattes Licht fiel. »Der Segler soll ein Beiboot mitführen, auf dem mich die Seeleute aussetzen können. Einen Schlauch mit Wasser brauche ich, einen Laib Brot und meine Harfe, die ich aus Iberia mitgebracht habe. Erfülle mir diesen letzten Wunsch. Es ist der eines Sterbenden. Morgen früh …«
    Marke war wie gelähmt. Er wusste nicht, ob er diese Idee wie das Gleichnis für die letzte Überfahrt in das Reich des Todes nehmen sollte oder für eine ernst gemeinte Bitte.
    Tristan musste dieses Zögern und Zweifeln gespürt haben. Er war dabei, sich auf die andere Seite zu drehen, was ihm manchmal half, die Schmerzen in seinem Bein zu lindern. Doch dann nahm er alle Kraft zusammen, setzte sich auf dem Lager aufrecht hin, blickte Marke aus zornigen Augen an und sagte: »Ein Schiff, König Marke, und dazu ein Boot. Du hast genug davon. Leihst du Tristan eines aus? Du bekommst das Schiff zurück, das Boot musst du ihm schenken. Dafür überlässt dir Tristan alles, was er an Reichtümern besitzt, du bekommst sogar deine goldene Kugel zurück. - Morgen früh, nach Sonnenaufgang? - Eine Antwort!«
    Marke riss die Augen auf. So bestimmend hatte sich Tristan noch nie geäußert. Er hatte ihn mit »Du« angesprochen und von sich als »Tristan« geredet. Und wie er da auf seinem Bett saß, schien es, als wollte er gleich aufstehen und gegen ihn anstürmen. Eine Antwort! - Das hatte noch niemand in diesem Ton von ihm verlangt.
    »Ein Schiff, ja, ein Schiff und ein Boot«, sagte Marke beinahe beschämt. »Nach Sonnenaufgang.«
    »Und die Harfe?«
    »Auch die Harfe, das Wasser und das Brot.«
    »Das Ehrenwort eines Königs?«
    »Das Ehrenwort!«
    Kaum hörte Tristan diese Antwort, ließ er sich zurück auf sein Lager fallen.
    Marke verließ das »Gemach des Todes«, wie Tristans Krankenquartier inzwischen unter den Leuten am Hof genannt wurde, und wusste nicht, was er tun sollte. Die Anordnungen, die ihm sein Neffe gegeben hatte, klangen in ihm nach wie die eines verwirrten Menschen. Nicht einmal mehr »ich« konnte Tristan sagen! Und forderte ein Boot - für wen? Für sich selbst, für den, der er nicht mehr war? Andererseits - Marke war nahe des Gemachs, in dem die Ritter jetzt eng aneinandergedrängt schliefen, stehen geblieben - andererseits bedeutete natürlich die Erfüllung von Tristans Wunsch, dass der anscheinend unheilbar Kranke die Burg und sogar das Land verlassen würde. So weh es ihm bei diesem Gedanken ums Herz war - hatte er seinen Neffen nicht schon längst aufgegeben und verloren? Wichtige Aufgaben standen der Grafschaft bevor, in ein paar Monaten würde der Winter einbrechen und ein neues Heer war aufzustellen, weil die Sachsen - wie Läufer ihm berichtet hatten - einen Überfall auf England planten. Wann dies geschehen würde, wusste keiner, nicht einmal, ob es ein solches Vorhaben überhaupt gab. Tristans Zustand aber lähmte seine concentratio, zog alle Aufmerksamkeit auf sich, verhinderte, dass er, der König, darüber nachdachte, Tintajol und einige andere westlich vorgelagerte Burgen in Cornwall auszubauen und zu befestigen. Holz musste geschlagen werden, Steine geschleppt, Gräben gezogen, all das schien so unbedeutend und unwichtig angesichts eines so jungen, schönen und verdienstvollen Mannes wie Tristan, der sein Leben dafür hergegeben hatte, Cornwall aus der Umklammerung des irischen Königs zu befreien.
    Marke haderte. Wäre Tristan nicht mehr da, könnte er sich wieder seinem Land und seinen Aufgaben widmen, wüsste er ihn andererseits führerlos auf hoher See in einem Beiboot, würde dies ihm das Herz brechen! Keine Nacht mehr würde er ruhig schlafen können! Vielleicht aber, sann er weiter, regungslos wie eine Statue vor der Tür zum ritterlichen Schlafsaal verharrend, vielleicht weiß Tristan sehr wohl, was er will. Warum sonst hatte er gefordert, dass ihm seine Harfe gebracht werde? Vielleicht will er uns, selbstlos wie er ist, von seiner Anwesenheit erlösen.
    Kalter Schweiß war Marke auf die Stirn getreten,

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