Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
bekommst du so viel, dass du bis zum Herbst genug an dir selbst hast. Du musst es ausprobieren. Ich empfehle dir, nach Virginia zu fragen. Sie ist nicht viel älter als du selbst und müsste dir gefallen. Oder was meint ihr, Männer?«
    Merwin sah sich im Kreis der Ritter um und erhielt die Zustimmung, die er erwartet hatte. Als sein Blick zu Riwalin zurückkehren wollte und er schon den Mund auftat, um ihm noch mehr von diesem »Land« hinter dem Kirschbaumgarten zu erzählen, musste er feststellen, dass der junge parmenische König nicht mehr auf seinem Platz stand.
    »Er wird doch nicht bereits zu der Jungfrau unterwegs sein?«, hörte Riwalin Merwin lachen. Da war er schon durch eine Tuchspalte in sein Zelt geschlüpft. Sein Name wurde gerufen. Es klang halb danach, als ob die Mannen ihn wirklich sehen wollten, ihn, den »heldenhaften Ritter, der Findennisch erledigt hatte«, vielleicht gab es aber auch andere, die ihm seinen Sieg nicht gönnten und nach Merwins Hinweis auf die frowen begannen, sich über ihn lustig zu machen. Schon mehrmals hatte er einige tuscheln hören, Riwalin - das sei derjenige, der wie alle Anfänger Glück gehabt habe. Morgen jedoch …
    »Glück«, sagte Riwalin verächtlich und setzte sich auf eine Truhe. »Ich werde es ihnen zeigen«, flüsterte er. »Und wenn ich den nächsten von ihnen vom Pferd geworfen habe, werde ich zu den Frauen gehen und mich nur kurz verbeugen, sofort wieder den Kopf heben und sagen: >Ich bin der König von .. .<.«
    Bevor er den Namen »Parmenien«, den er so liebte, aussprechen konnte, betrat Bodan das Zelt. »Mein Herr«, sagte er aufgebracht. »Draußen sind Knappen mit der Rüstung und dem Pferd von Findennisch!«
    »Was wollen sie?« Riwalin war aufgestanden und ging auf Bodan zu.
    »Sie bringen Euch das, was Euch gehört.«
    »Mir gehört? Das Pferd hat sich die Flanke aufgerissen, die Rüstung passt mir nicht!«
    »Aber es ist Eures, Herr. So sind die Regeln hier.«
    »Und was ist mit Findennischs Lanze? Ist die auch dabei?«
    »Lanze?« Bodan musste lachen. »Es sind zehn Lanzen, Herr, drei Schwerter, drei Dolche, eine Armbrust, fünf Speere und, wenn Ihr wollt, zwei Knappen.«
    »Das alles gehört mir?«
     
    Vom »Er« zum »Ich« ~38~ Drei Löcher im Pergament
     
    Als Riwalin später, viel später auf Conoêl Rual von diesen ersten Turniertagen Lauf der Burg Tintajol berichtete, war der Marschall von den Schilderungen aufs Äußerste beeindruckt gewesen. In den Nächten zog er sich immer in den Großen Saal zurück, um alles zu notieren und sich dabei möglichst an jedes Wort seines Herrn zu erinnern. Wenn ihm dies nicht gelang, schrieb er auf, wie er sich selbst alles vorstellte, so sehr fühlte er mit seinem Herrn. Erwähnte der auch nur den »Kirschgarten«, sah ihn Rual gleich in voller Pracht blühend vor sich. Unter den zum Himmel strebenden Ästen sah er Mägde tanzen in weichen Kleidern und mit ausgestreckten Armen, so wie die Römer sie in ihren Häusern in Wandmalereien abgebildet haben sollen. Er hatte darüber Reisende reden hören und Pilger, die behaupteten, »alles« gesehen zu haben. Rual hatte darüber gelächelt und zu sich selbst gesagt: Die Hälfte solcher mcere ist schon um ein Viertel des Achtels zu viel.
    Nun, da er des Nachts in seinen Notaten über Riwalins Abenteuer nachlas, musste er erkennen, dass er, nicht anders als jene Erzähler und Barden, denen er misstraut hatte, nüchterne Sätze maßlos ausgeschmückt und Ungefähres zu sicherer Wahrheit erklärt hatte. Waren es tatsächlich zehn Lanzen gewesen, die Riwalin zum Lohn erhalten hatte, oder vielleicht nur zwei? Rual konnte es natürlich nicht wissen, aber er hatte zehn geschrieben: Da stand in dem Buch seiner Notate eindeutig das Zeichen »X«.
    Jedem vergeht die Zeit anders, notierte er mit frisch geschnittener Feder an den Rand seiner Aufzeichnungen der »Frauenrede« Merwins, wenn er nur anfängt, darüber zu grübeln.
    Dieser Gedanke gefiel ihm so sehr, dass er im Schein der Lämpchen, der die an vielen Stellen angeraute Oberfläche des Blattes wie eine ausgedörrte brache Landschaft erscheinen ließ, einzelne Anfangsbuchstaben mit Verzierungen aus roter Tusche hervorhob und am Ende einen Zweig mit Weinreben zeichnete. Er wusste, dass schon bald wieder der Morgen grauen würde, und wollte das Buch schließen. Da schlug er doch noch die Seite um und begann zu lesen. Er erschrak. Hier hatte er aufgeschrieben, dass Riwalin die auf seinen ersten Sieg folgende

Weitere Kostenlose Bücher