Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
wurde, erzählte ihm beim Morgenessen die neuesten Gerüchte: Es ginge vor allem darum zu verhindern, dass er selbst, Tristan, eines Tages nach dem Ableben seines Oheims, die Macht übernehme.
    »Nach dem Ableben meines Onkels?«, fragte Tristan. »Er ist doch noch bei vollen Kräften und Sinnen! Wie kommt man darauf, dass er nicht mehr lange leben könnte.«
    »Eines Tages«, sagte Helen daraufhin, »eines Tages wird er nicht mehr am Leben sein, so wie wir alle. Darum geht es! Das ist das Gesetz der Erdenschwere.«
    »Was ist das für ein Gesetz?« Tristan sah verständnislos von seiner Milch auf, die Helen in einer Schale vor ihn hingestellt hatte.
    »Vor zwei Monden ist Euer Onkel vierzig Jahre alt geworden.«
    »Das weiß ich doch längst.« Tristan rief seine Antwort beinahe amüsiert in den Saal, Helen befand sich etwas weiter entfernt.
    »Dann kümmert Euch darum, dass er nicht älter wird!«, rief sie zurück. »Wie denn?«
    »Indem er sich verjüngt!«
    »Indem er sich verjüngt?« Tristan begann zu lachen. Er sah einen See vor sich, in dem sich alt gewordene Paare vereinten und als Kinder daraus hervorstiegen, und wiederholte noch einmal: »Verjüngt?«
    »Durch eine junge Frau natürlich!« Helens Stimme war plötzlich wieder ganz nah. Sie stand direkt neben ihm, brachte ihrem Herrn frisches Brot und einen Hirsebrei, den sie gesalzen und gepfeffert hatte. »Eine junge Frau«, sagte sie noch einmal im Fortgehen wie nebenbei.
    Isôt, dachte Tristan und wagte nicht, diesen Namen laut auszusprechen.
     
    Zupfen ~227~ Schlagen
     
    Es folgten Tage, da kam es Marke so vor, als wäre Tristan nie fort gewesen. Sie ritten gemeinsam aus zur Jagd, besuchten zusammen mit den Damen der Barone den Markt von Caerleon, und Tristan kümmerte sich um den Bestand der Falken am Hof von Tintajol. Über Vergangenheit oder Zukunft wurde nicht gesprochen, einzig der neue Tag war wichtig und wie man ihn zu Ende brachte. Tristan vermied, so gut er konnte, von seinen zurückliegenden Erlebnissen zu berichten, und er hatte den Eindruck, Marke wollte auch nicht allzu viel darüber wissen.
    Dann aber, Mitte des Monats, trat wie immer der Rat der Barone zusammen. Es sollten die Belange Cornwalls besprochen werden, die Streitigkeiten mit den Irländern und Gerüchte, die besagten, die Sachsen hätten ein neues Heer aufgestellt. Außerdem ging es um Forderungen der Bischöfe und Mönche. Marke bat Tristan, an dieser Versammlung teilzunehmen, da er vor allem zu den Auseinandersetzungen mit Erui seine Erfahrungen einbringen könnte, denn inzwischen wussten alle, dass er auf der Insel geheilt worden war. Irlands strikte Erlasse, keine britannischen Schiffe mehr in den irischen Häfen zuzulassen, schädigten den Handel und verringerten die Einnahmen Cornwalls.
    »Was soll ich dazu sagen?«, wandte sich Tristan an ihn, denn er wollte vermeiden, der Versammlung beizuwohnen.
    »Es wäre möglich, dass du einmal mein rechtmäßiger Nachfolger sein wirst«, gab Marke in etwas scharfem Ton zurück, »du hast eine ritterliche und verwandtschaftliche Verpflichtung!«
    Tristan wusste keine Antwort und keine Entschuldigung, die ihm erlaubt hätten, dem Rat fernzubleiben. Die Jagd bereitete ihm Freude, und er hatte auch wieder angefangen, die Instrumente zu spielen, die er aus dem Süden mitgebracht hatte. Mit Courvenal disputierte er über neue Bücher, die er aus den Schreibwerkstätten des Festlands und sogar aus Alexandrien hatte besorgen lassen. Ein besonders schön ausgemaltes Folio war darunter, in dem Tieren, so unbekannt sie den Menschen Britanniens auch waren, Eigenschaften und Verhaltensweisen zugesprochen wurden, die allesamt bezeugten, dass das Leben nicht nur Gottes Schöpfung, sondern ihm auch ähnlich war. Außerdem gab es circularien mit geheimen geografischen Theorien und Beobachtungen, Afrikanien sei ein so weit gezogenes Land, dass es alle Vorstellungen von der Endlichkeit der Welt überträfe. Wie zum Beweis zeigte Courvenal Tristan einen Gegenstand, der wie ein kleines Fass aussah (er hatte es auf einem der anlegenden Schiffe gekauft, die aus den südlichen Meeren kamen). Oben und unten war es mit einem Tierfell bespannt. Schlug man darauf mit den bloßen Händen, entstanden dumpfe Töne, die feiner wurden, wenn man etwa nur darüberstrich. Ein Instrument, das man schlug und streicheln konnte - Tristan war begeistert. Tagelang beschäftigte er sich damit und entdeckte beim Schlagen auf das Fell den »Rhythmus«, wie Courvenal die

Weitere Kostenlose Bücher