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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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damit?«
    Ratlos zu Courvenal blickend, sah er Tristan die Harfe holen. Tristan setzte sich an den Tisch zurück, stemmte den Boden des Instruments in seinen Schoß, begann an den Schlüsseln zu drehen und stimmte es. Dann machte er seinen ersten Versuch: Er zupfte die Saiten und schlug sie gleich wieder. Ein eigentümlicher Klang entstand. Tristan zupfte und schlug weiter, und neben dem Klang entwickelte sich ein Rhythmus, als wenn man mit den Händen gleichmäßig schnell einen Hammer in der Schmiede schwingt. Es ging nur alles schneller, ein Klopfen und Spielen, Unterbrechungen, Wechsel der Schläge, plötzlich Melodien, in die Tristan, ohne auf die anderen und ihr Schweigen zu achten, einfiel und sang:
    Da siehst du Licht Da ist es nicht Fährst übers Meer
    Und das Meer (hier wechselte er den Rhythmus)
    Schwimmt dir mit einem Male hinterher (wieder Rhythmuswechsel)
    Du siehst sie am Strand
    Deine Hände sind leer (Rhythmuswechsel)
    Da rollt über dich hinweg das Meer -
    Sie steht noch da
    Die Wellen erreichen sie
    Wo bist du sagte sie und schrie
    Du siehst mich nie
    Da reichten ihr die Wellen schon bis ans Knie
    Und schwollen an bis an den Mund
    Weswegen sie ertrunk
    Da siehst du Licht…
    Tristan brach ab, legte die Harfe beiseite, sah König Marke und Courvenal unbewegt dasitzen und entschuldigte sich mit einem Räuspern. »Es ist etwas Neues«, sagte er leise wie zu seiner Entschuldigung. »Die Musik.«
    Nach einer Weile fragte Marke: »Und wie ist sie, diese Isôt? Wie ihre Mutter?«
    »Ganz das Gegenteil von ihr!« Tristans Antwort kam schnell. »Warum sollten die Irländer auf diesen Handel eingehen?«, wollte Courvenal wissen.
    »Sie haben sich selbst den Quell ihres Lebens abgeschnitten durch das Verbot des Handels mit Britannien. Sie müssen sich bereitwillig zeigen. Und sie verlieren dabei nicht das Gesicht.«
    »Haben sie eins?«, fragte Marke trocken zurück.
    »Isôt - ist - wunder - schön.«
    Bei diesem Satz geriet Tristan ins Stocken. Courvenal sah, wie sein Freund vor sich hin und zugleich in die Ferne blickte. Marke hingegen, auch das bemerkte Courvenal, war so verwoben in seine Gedanken, was die Verbindung mit Isolde von Irland bedeuten könnte, dass sein Blick fast wie nach innen gerichtet war. Es ging um die Abwägung von Vor- und Nachteilen für Cornwall. Marke, das war in des Königs Blick lesbar, dachte nicht an den Menschen, den Tristan vor sich sah. Er wollte in seinen Plänen, die sich unvermutet durch Tristans Vorschlag in ihm auftaten, nicht gestört werden. Deshalb erwähnte er auch unvermittelt die Barone.
    »Ich weiß nicht, warum, aber ich hätte ebenfalls beschlossen, den Baronen zu befehlen, dich bei deiner Brautwerbung zu begleiten. Ganz in deinem Sinn, oder…?«
    »Du hast es längst entschieden!«, sagte Tristan, plötzlich ins »Du« wechselnd. »Mit… Recht.«
    Am Zögern in Markes Vergewisserung, mehr aber noch an der Haltung des Königs, der sich im Sitzen leicht vornübergebeugt hatte, merkte Courvenal, dass die Zeit der gemeinsamen Begegnung vorbei war. Marke brauchte Ruhe. Die Entscheidung, die Königstochter Isolde zu heiraten, zwei verfeindete Reiche dadurch zusammenzuführen, zehrte an seinen Kräften. Courvenal stand auf, gab Tristan ein Zeichen und wollte sich zurückziehen.
    Tristan jedoch beachtete Courvenal nicht, blieb auf seinem Stuhl sitzen, beugte sich vor, legte die Arme auf den Tisch, wie man es einem König gegenüber nicht tat, und sagte: »Also gilt dein Wort: Ich werbe für Euch um Isoldes Hand!«
    Marke schreckte auf. »Ja«, sagte er verhalten. »Und wenn ich sie für Euch gewinne, nehmt Ihr sie als Frau?«
    »Warum bist du auf einmal wieder so formell? Du bist mein einziger Neffe und Erbe. - Ich sagte doch schon: Ja.«
    »Und die Barone sollen auf einem einzigen Schiff mit mir kommen?«
    »Auch das! - Was bezweckst du mit deinen Fragen?«
    Tristan zögerte mit der Antwort. Er sah kurz Courvenal in die Augen, dann sagte er das Wort »Gewissheit« auf Lateinisch und erhob sich.
    »Gewissheit« - er wusste genau, dass es das nie geben würde. Als er Courvenal umarmte, ahnte er bereits, was er eines Tages wissen würde. - Gleichwohl: der Rhythmus ging ihm nicht aus dem Kopf. Zupfen und Schlagen.
    Noch auf dem Weg zu seinem Gemach, das er dieses Mal nicht mit Courvenal, sondern mit zwei Rittern der königlichen Garde teilte, befahl er dem herbeigerufenen Marschall, das Schiff so bald wie möglich klarzumachen und für den Dritten des kommenden Monats

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