Tristan
…?«
»Ich weiß gar nichts«, schnitt Riwalin Bodan das Wort ab. »Sag mir lieber, ob du die Lanzen Findennischs mit unseren verglichen hast, wie ich es dir auftrug.«
»Hab ich, Herr. Um eine gute Elle sind sie länger.« Bodan zeigte von seinem Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen seiner Hand.
»Und haben sie tatsächlich Eisenspitzen und Dornen am Ende, wie Merwin uns berichtet hat?«
»Nichts dergleichen.«
»Dacht’ ich’s mir doch!« Riwalin fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Die Nacht war lang gewesen, der Schlaf kurz, aber Hon hatte ihm von ihrer Wärme abgegeben, ohne ihn zu berühren, das spürte er.
»Gibt es rote Farbe?«, fragte er Bodan so unvermittelt, dass der Knappe ins Stottern kam.
»Es muss welche geben!« Riwalin ging ein paar Schritte im Zelt auf und ab. »Besorge mir rote Farbe, nimm zwei von Findennischs Lanzen, such die besten aus, male sie rot an bis zum Schaft. Und wenn du keine rote Farbe auftreiben kannst, nimm das Blut einer Ziege. Und kaufe einen Hahn, reiß ihm die Schwanzfedern aus und tunke sie auch in das Blut oder die rote Farbe. Und frage nach, auf welcher Seite des Turnierfelds der unbekannte Ritter einreitet. Los, mach dich auf den Weg. - Hast du das alles verstanden?«
Bodan nickte mit dem Kopf, bewegte sich aber nicht von der Stelle. »Was ist noch?«
»Herr, ich habe noch nichts gegessen.«
»Dann hol uns etwas, schnell!«
Der Ritter mit der roten Feder ~40~ Namenlos und unbekannt
Erst am Nachmittag wurde Riwalin zum Turnier gerufen. Auf dem Weg zum Platz teilte man ihm mit, das Los habe entschieden, dass er von der Turmseite her anreite. Das bedeutete: Die Sonne würde ihm ins Gesicht scheinen. Wer denn das Los geworfen habe, wollte er von dem Reiter wissen, der ihn zur Burg führte. Er bekam keine Antwort. Im Burghof wendete der Reiter sein Pferd, um zu den Zelten zurückzukehren und die nächsten Ritter zu holen, die den letzten tjost austragen sollten.
Wie am Tag zuvor kam Riwalin ein Tross von Reitern entgegen, die einen verwundeten Kämpfer begleiteten, der auf seinem Pferd mehr lag als saß. Das sah so merkwürdig aus, dass Riwalin ein Lachen nicht unterdrücken konnte, ein Lachen, das er nur im eigenen Kopf und im Helm zu hören glaubte. Doch einer der Begleiter des Trosses scherte mit dem Pferd aus, verweilte kurz neben Riwalin und sagte: »Du bist der Nächste, den wir zu seinem Zelt bringen, aber nicht auf deinem Pferd, sondern auf einer Bahre.«
Riwalin wollte etwas antworten, etwas Beleidigendes, um sich Mut zu machen - da war der aus dem Tross schon weitergeritten, und Bodan rannte auf ihn zu. »Herr«, rief er atemlos, »die rote Feder hat die Schattenseite!«
»Das weiß ich längst. Wie komme ich da hin?«
Da tat Bodan etwas, das Riwalin von seinem treuen Knappen nicht erwartet hätte. Er zuckte mit der Schulter und hielt zugleich eine Hand auf wie ein Bettler. Riwalin verstand, versprach ihm zwei Brakteat, und kaum hatte er dieses Zauberwort gesagt, eilte der Junge voraus, einem inneren Burgweg zu, auf dem keine zwei Pferde nebeneinander Platz hatten. Bodan lief, als ginge es um sein Leben.
Dabei geht es dir nur um die zwei Münzen, dachte Riwalin und fragte sich, während sein Pferd in verhaltener Gangart dem Knappen folgte, worum es ihm selbst denn eigentlich ging? Er hob den Kopf: Der Beste wollte er sein. - Der Beste unter welchen anderen Besten und warum? - Er verlangsamte den Schritt seines Pferdes. Bodan eilte weiter voran und schaute sich nach seinem Herrn um. »Schnell!«, rief er. »Wir haben keine Zeit!«
Und was geschieht, dachte Riwalin weiter, wenn mein Plan nicht gelingt? Welche mcere wird dann Lafranc über mich, den König von Parmenien, erzählen? Die Nachricht, geschlagen worden zu sein, mich zum Narren gemacht zu haben, wird schneller als mein Schiff bei den Meinen ankommen, und Morgan wird höheren Zins verlangen, weil ich nicht mehr ein König unter den Königen bin.
Riwalin hatte sein Pferd angehalten. Es schnaubte und trat auf der Stelle, wie wenn es die Zweifel und die Unschlüssigkeit seines Reiters spürte. Bodan kehrte um und lief auf seinen König zu, schrie: »Wir müssen weiter!«, griff in das Halfter des Pferdes, zerrte das Tier vorwärts die Gasse hinan, bis sie von der Rückseite des Burghofes her bei den Stallungen ankamen, in denen meist die Ritter Markes ihre Pferde stehen hatten. Eine Gruppe von Knappen, alle in graublauer Kleidung, sprengte auseinander, als Riwalin in den
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