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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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zu.
     
    Der Kampf ~41~ Der Stich ins Herz
     
    Beim ersten Anritt verfehlten beide Reiter den Gegner und schossen aneinander vorbei. Sie ritten, als wäre es verabredet, in ihre Ausgangsstellung zurück und stürmten wieder los, bevor das Signal dazu gegeben wurde. Erneut verfehlten sie sich, die Lanzen mussten nicht gewechselt werden, und wieder gönnten sie sich und ihren Rössern kein Verschnaufen und nahmen zum dritten Mal Anlauf.
    Riwalin war bislang der Lanze des unbekannten Ritters ausgewichen, indem er sich zur Seite oder nach hinten beugte. Er selbst hatte gar nicht erst versucht, seinen Gegner zu touchieren. Beim dritten Versuch nun trieb er sein Pferd an, alles zu geben, was es an Kraft, Wendigkeit und Schnelligkeit besaß. So langte er wie bei Findennisch schon bei der Parcoursmitte an, als der Unbekannte noch im hinteren Teil des eigenen Feldes damit beschäftigt war, seine Lanze in Position zu bringen. Da tauchte Riwalin plötzlich auf seiner Höhe auf und nutzte die Überlänge seiner Lanze. Er traf den Fremden an der rechten Schulter, und dieser Stoß genügte, dass dieser seine Lanze verlor. Dabei geriet sie, gegen einen Pfosten prallend, mit dem Ende zwischen die Hinterläufe des Pferdes, als hätte man einen Stock in seinen Lauf geworfen. Wie vom Blitz getroffen, stürzten Ross und Reiter zu Boden, der Unbekannte rutschte über das zertretene Stroh, das Pferd bäumte sich im Liegen auf und wieherte, sich windend vor Schmerzen. Der Reiter schien sich beim Sturz nicht verletzt zu haben, stand aber nur mit Mühe auf, gestützt von herbeieilenden Knappen.
    Riwalin hatte sein Pferd am Zügel genommen und arretiert. Als er sah, wie der Reiter zu den Stallungen geführt wurde, während das Pferd sich noch immer mit gebrochenen Hinterläufen auf der Erde wie von Sinnen krümmte, warf Riwalin seine Lanze zu Boden, griff in die Zügel, sprang nach kurzem Anlauf über die Barriere, zog sein Schwert und beugte sich im Ritt tief zum Boden hinunter. Er verlangsamte den Schritt seines Pferdes und versetzte dem tödlich verletzten Tier seines Gegners den Gnadenstoß.
    Die Leute auf der Tribüne - sogar König Marke und seine Schwester, wie man Riwalin später erzählte - waren aufgesprungen und sahen diesem Schauspiel zu, sahen, wie Riwalin sein Schwert zurück in den Gürtel steckte, um mit einer raschen Bewegung das Visier seines Helms hochzuklappen, sich kurz gegen die Tribüne hin zu verbeugen und im Galopp auf die von der untergehenden Sonne beschienenen Stallungen zuzureiten, wo er Bodans rot-gelb gefleckte Jacke entdeckt hatte. Ein Raunen ging durch die Menge, Riwalins Name wurde genannt, schließlich brach Jubel aus.
    Auch der Knappe hatte vom Rand des Feldes staunend beobachtet, was auf dem Parcours vor sich gegangen war, und erschrak, als er seinen Herrn plötzlich auf sich zureiten sah, bemerkte dessen ausgestreckten Arm und hielt ihm daher instinktiv seinen eigenen entgegen. Riwalin packte den Jungen, schleifte ihn eine kurze Strecke in der fliehenden Gangart des Pferdes mit, dann hob er ihn mit einem Schwung vom Boden auf und setzte ihn hinter sich. In vollem Galopp jagten die beiden durch den Schlosshof über die hölzernen Brücken hinaus zu den Feldern, wo die Zelte der Turnierritter standen. Bodan klammerte sich dabei an seinen Herrn wie ein Kind, und Riwalin hatte das Gefühl, in alle Ewigkeit so dahinreiten zu wollen.
    Als sie beim Zelt ankamen, erteilte er dem immer noch verdutzten Knappen den Befehl, sich um das Pferd zu kümmern und das Zelt so lange geschlossen zu halten, bis er selbst, er, Riwalin, König von Parmenien, gedachte, es zu verlassen. Eingeschüchtert von den bestimmenden Worten seines Herrn führte Bodan das Pferd zur Seite, verschnürte die Zelteingänge, postierte zwei Wachen, gab strikte Anweisungen und führte das Pferd zur Wasserstelle, um es gründlich mit nassem Stroh abzureiben.
     
    Das Fest ~42~ Der Schein
     
    Als Riwalin Rual von seinem Turniersieg über den namenlosen Ritter er-. zählte, war er voller Stolz gewesen. »Wie oft habe ich es hier an der Küste schon erlebt«, hatte er gesagt, »dass die Leute mir applaudierten, wenn ich meine Kämpfe gewann - aber was waren das für Leute? Bauern und Knappen, die Lehnsherren kleiner Burgen, fahrendes Volk, Pilger, Mönche - ja, sie beklatschten meine Siege, obwohl es ihnen doch in Wahrheit nur darum ging, am Abend etwas vom Spießbraten abzubekommen und vom Wein, der frei ausgeschenkt wurde. - Auf Tintajol war alles

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