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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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anders. Dort ging es um wirklichen Kampf, um Geschick und Kraft und um Ehre. Da riefen nicht Bauern und Bogenschützen meinen Namen, sondern Herren und Edle. Und darüber hinaus hatte ich sie nicht nur mit meiner Fortune, sondern vielmehr durch eine List erstaunt, denn bis ich mein Visier hob und mich zu erkennen gab, dachten alle, ihr Ritter mit der roten Feder hätte wie immer den Kampf gewonnen und auch noch genug Barmherzigkeit gezeigt und dem Leben des misshandelten Rosses ein schnelles Ende bereitet. Als dann aber ich dieser Ritter war und den namenlosen Fremden ziehen ließ, da mischte sich in ihren Jubel auch Achtung. Unser kleines, unbedeutendes Land Parmenien war plötzlich in aller Munde. Wie ich in der Stunde nach dem Kampf ganz allein im Zelt war, spürte ich schon die Gewissheit, dass König Marke mich noch an diesem Abend bitten würde, Gast an seiner Tafel zu sein. Und so geschah es.«
    Riwalins Augen glänzten. Rual erinnerte sich daran, dass es ein sonniger, wenn auch windiger Tag gewesen war, als Riwalin ihm auf einem Gang entlang der Burgmauer in allen Einzelheiten den Festsaal im fernen Tintajol schilderte und von den vielen Lichtern, den Teppichen, den Verzierungen am Gestühl und der gedeckten Tafel schwärmte.
    »Und König Marke? Wie ist er?«, unterbrach ihn Rual. »Ein feiner Mann, etwas älter als du und etwas größer als ich selbst, kaum von ritterlicher Statur, kein Kämpfer, das Gegenteil eines Findennisch, ein edler Herr. Er kam auf mich zu, als ich den Saal betrat, und beglückwünschte mich. Mein Kampfgeist und meine List der Verkleidung hatten ihm gefallen. Er redete mit mir auch gleich in unserer Sprache und wollte, dass ich ihm von unserem Land erzähle. Beinahe entschuldigte er sich bei mir dafür, dass er noch nicht in Conoêl gewesen war und auch die normannische Küste nur wenig kannte. Dafür erwähnte er Worms und Bologna, Pisa und Salerno, wo er sich überall eine Zeit lang aufgehalten habe. Für den Abend versprach er eine besondere Überraschung aus dem Langedoux, einen Sänger, der schönste Minnelieder vortragen würde. Er nahm mich am Arm und bestand darauf, dass ich ganz in seiner Nähe am unteren Ende der Tafel einen Platz einnehmen sollte. Während wir dorthin gingen, stellte er mich Fürsten, Grafen und Rittern vor, deren manchmal fremd klingende Namen ich nur mühsam wiederholen konnte. Dann traten diese Männer plötzlich zur Seite, und ich sah, wie eine Frau auf uns zutrat, begleitet von zwei Zofen. Sie trug ein Kleid aus italienischer Seide und über dem rotblonden, zu einem Zopf gebundenen Haar ein Tuch aus so feiner Gaze, dass es wie von einer Spinne gewoben schien. Es war Blancheflur, die Schwester des Königs.«
    Riwalin hatte innegehalten und vor sich hin geblickt, als würde er diese erste Begegnung noch einmal erleben. Dann fasste er sich und fuhr fort: »Als sie mir die Hand reichte und ich sie mit einer Verbeugung ergriff, war es, als habe sich eine Flaumfeder über meine Finger gelegt. Ich spürte ein mich so sehr verwirrendes Streicheln, dass ich meine Hand gleich wieder an mich zog und ein paar Worte der Entschuldigung murmelte, als hätte ich etwas Unschickliches getan. Das Blut schoss mir ins Gesicht, ich hielt daher den Kopf so lange gesenkt, bis ich glaubte, mich beherrscht zu haben. Als ich erneut aufblickte, sah ich gerade noch, wie Blancheflur sich neben den König setzte, als wäre sie seine Frau. So kam mir dieses Wort in den Kopf, wie ich es abfällig aus Merwins Mund gehört hatte: frouwe odder wiff, slcengen om de riff, und von da an hasste ich diesen grobschlächtigen Mann. Würde ich ihm eines Tages auf einem Turnier begegnen, schwor ich mir, würde ich ihn mit meiner Lanze für immer zum Schweigen bringen.«
    Während Riwalin nun begann, Blancheflurs Schönheit zu preisen, und dafür vergleichend die Namen seltener Blumen gebrauchte, entdeckte Rual in seinem eigenen Mitgefühl einen Anflug von Neid und Eifersucht, und er war ins Grübeln geraten. Blancheflur war ohne Zweifel eine schöne Frau, doch sie war keine Göttin. Als sie vor etlichen Monden zu aller Überraschung von Riwalins Schiff an Land gestiegen war, hatte vor allem Floräte gleich Kummer, Sorge und eine nervöse Unruhe in den Gesichtszügen der jungen Frau entdeckt. Anfangs schrieb sie diese Zeichen der rauen Überfahrt zu, die Blancheflur hinter sich hatte, und ihrem Heimweh nach Tintajol und ihrem Bruder, von dem sie immer wieder sprach. Dann aber, als sie des

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