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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Recht war es zwar möglich, aber kein Usus, dass der König seiner Frau das Wort erteilte. Doch wie man bald sah, hätte der Regent es selbst gar nicht führen können: Einen Krug Bier nach dem anderen goss er in sich hinein und wurde dabei immer schläfriger. Umso entschlossener wirkte Isolde, als sie schließlich mit ernster, klarer Stimme das Wort ergriff.
    Als Erstes ließ sie die beiden Kontrahenten vorführen, befragte sie nach ihrem Namen und nach ihrer Zugehörigkeit.
    Der Truchsess erschien in einer schwarz-braunen Robe, seine Jacke war stark aufgebauscht, um seine vorgeblich breiten Schultern zu betonen. Tristan hingegen kam in voller Rüstung.
    Den kurzen Fragen Isoldes merkte Courvenal gleich an, dass sie die Angelegenheit schnell hinter sich bringen wollte. Anscheinend wusste sie längst, welche Entscheidung sie treffen würde. Sie machte keinen Unterschied zwischen dem Truchsess als ihrem Landsmann und Tristan, der von der entfernten Insel herkam. Sie wollte auch nichts wissen über die je eigenen Interessen der beiden, sondern einzig und allein, wer von ihnen das Untier im Wald von Sheldon getötet und damit ein Anrecht auf die Hand ihrer Tochter habe. Nach dieser Ansprache nahm Isolde wieder Platz, Gurmûn nickte ihr geistesabwesend zu, aber sie achtete gar nicht darauf. Isôt fühlte, wie ihre Wangen immer stärker glühten, und war dankbar dafür, dass Brangaene, die hinter sie getreten war, ihr die Hand auf die Schulter legte.
    Als Erstes wurde dem Truchsess das Wort erteilt. Er lobte seine Königin, verneigte sich vor ihr und vor den von weit her angereisten Lords aus dem fremden Land. Sodann fragte er unvermittelt, warum die Königin hier die Verhandlung führe. Man wisse doch, dass Frauen jedem das Wort im Munde herumdrehen würden.
    »Komm zur Sache!«, sagte daraufhin Isolde.
    Der Truchsess wand sich. Frauen würden das eine sagen und das andere denken. Frauen könnten sich kein Urteil bilden. Er bat den König zu entscheiden.
    »Worüber soll ich entscheiden?«, fragte Gurmûn Isolde.
    Isolde zischelte ihm etwas zu, was ihn zum Verstummen brachte. »Ich entscheide hier!«, sagte sie nochmals laut in die Runde, und der Truchsess solle jetzt vorbringen, was er zu vermelden habe.
    »Ich will deine Tochter«, sagte McWighn daraufhin. »Ich habe den Drachen getötet. Ich habe den Beweis dafür. Los!« Er wandte er sich um und gab den Knechten Zeichen. »Bringt den Kopf des Untiers herein!«
    Was nun geschah, verursachte unter den Zuschauern höchste Aufregung. Auf einem Karren wurde etwas in die Mitte des Raumes geschoben. Wer einen schlechten Platz hatte, dazu gehörten auch manche der britannischen Barone, musste aufstehen, um besser sehen zu können. Über dem Karren lag zwar eine wollene Decke, aber sofort durchströmte den Raum ein widerwärtiger Geruch. McWighn schien davon nichts zu bemerken. Wie ein Gaukler hüpfte er um den Wagen herum und befahl, die Decke zur Seite zu ziehen. Zum Vorschein kam der gewaltig große Kopf eines Tieres mit einer langen Schnauze. Hunderte von Fliegen stoben auf, Würmer krochen aus der Nase, den Ohren und den Augen, von denen eines fehlte. Die Zuschauer stöhnten auf bei diesem grässlichen Anblick, Gurmûn forderte gleich, dass man das Ding wieder entfernen sollte, aber Isolde befahl, alles so zu lassen, wie es war.
    Courvenal hatte sofort gesehen, dass es sich bei dem Kopf um den eines wahrhaft riesigen Bären handelte. Er schaute zu Tristan hinüber. Der schien völlig ruhig und blickte mit großem Interesse auf den bereits verwesenden Schädel.
    »Das also ist der Kopf des draghon!«, fragte Isolde.
    »Das ist er!«, sagte der Truchsess und verneigte sich dabei vor der Königin. Und in der Verbeugung, gleichsam in den mit Stroh bestreuten Boden sprechend, forderte er zum zweiten Mal die Tochter der Königin zur Frau.
    »Wer den Kopf des Untiers besitzt«, sagte daraufhin Isolde kühl, »muss es noch lange nicht erlegt haben. Öffne dem Tier das Maul!«
    Der Truchsess erstarrte, als er diese Aufforderung hörte. Er sah den toten, stinkenden, armlangen Schädel des Tieres an und schien zu überlegen, was er nun tun sollte. Musste er selbst diesem Tier das Maul aufreißen? Er sah keinen Sinn in dieser Aufforderung und ekelte sich zugleich davor, den Kadaver anzufassen. So rief er nach den Knechten, doch die hatten sich hinter die Vorhänge des Eingangs verdrückt. Zugleich sah er hundert Augen auf sich gerichtet und den strengen Blick der Königin. Seine

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