Tristan
Königin hinderte ihn daran. Er wagte nicht einmal sich abzutrocknen, sondern schlang schnell das Tuch um die Lenden, stieg aus dem Bottich und stand, freundlich auf Isolde blickend, zwischen Isôt und Brangaene.
»Gib mir das Schwert!«, befahl Isolde Elva, die den Blick gesenkt hielt, einen Knicks machte und es unbeholfen der Königin reichte. »Und jetzt den Eisensplitter aus dem Kästchen!« Isolde durchbohrte Tristan mit ihren Blicken und achtete nicht auf die Magd, die der Schatulle den Eisensplitter entnahm. »Füge ihn ein in die Schwertschneide!«, befahl Isolde. Elva war völlig verwirrt. Was sollte sie mit diesem Splitter tun? Wo einfügen? »Herrin …«, stammelte sie.
»Dummes Huhn!« Isolde hielt das Schwert waagerecht in einer Hand, nahm mit der anderen den Splitter entgegen, legte ihn an der Schneide an - und er schien darin zu verschwinden. Isôt und Brangaene rissen die Augen auf, sie dachten, dass ihnen die Königin gerade wie die Gaukler ein Kunststück vorgeführt hatte.
»Ist das dein Schwert?«, fragte Isolde Tristan streng. Er bejahte.
»Dann bist du nicht Tantris, sondern Tristan, der Mörder meines Bruders!«
Dieser Satz klang wie ein scharfes Beil, dessen Klinge gerade einen Kopf vom Leib getrennt hatte auf dem Hof hinter dem Königspalast. Isôt und Brangaene starrten sich an. Tristan stand reglos da.
»Bist du es? Der Fürst Tristan von Parmenien? Oder bist du es nicht?« Isoldes Stimme war kalt und so zwingend, dass Tristan nicht anders konnte, als mit dem Kopf zu nicken.
»ja, der bin ich«, sagte er, »ich bin Tristan von Parmenien, und ich bin auch« - er zögerte - »Tantris aus norje. Ich bin beides. Ihr müsst mir glauben. Und ich habe Euren Bruder im Kampf getötet, nicht ermordet. Er hingegen hat mich unritterlich und tödlich verletzt durch sein Schwert, das mit Gift bestrichen war, Gift von Eurer Kochstelle. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als zu Euch zu kommen, verkleidet als Spielmann, obwohl ich ein Ritter Markes bin. Ich hasse den Kampf und liebe die Harfe, das wisst Ihr doch selbst. Ich bitte um Vergebung, ich bitte Euch darum in allen Sprachen, die Ihr hören wollt, und ich bitte auch um die Hand Eurer Tochter, die ich verdient habe. Doch ich bitte nicht in meinem Namen um diese wunderschöne zarte Hand, sondern im Namen meines Oheims, des Königs von Britannien, Marke von Cornwall.«
Tristan war während dieser Ansprache auf die Knie gesunken, den Blick zu Boden gerichtet. Die Hände, wie es sich gehört hätte, konnte er nicht bittend falten, weil ihm sonst das Tuch vom Leib gerutscht wäre.
Isôt, die gerade noch neben ihm gestanden hatte, wich zur Seite, trat auf ihre Mutter zu und nahm ihr das Schwert aus den Händen. Sie konnte es kaum halten, fuchtelte damit herum und schrie: »Du warst es, der meinen Onkel enthauptet hat? Dann werde ich es jetzt sein, der dir den Kopf abschlägt.«
»Isot!«, rief Isolde. »Überlege, was du tun willst! Wenn du ihn tötest, haben wir niemanden mehr, der gegen den Truchsess kämpft. Was hier geschieht oder geschehen ist, wird als Schande in die Chronik eingehen, Benedictus wird sich freuen, etwas Außergewöhnliches berichten zu können. Bezähme dich! Gib mir das Schwert zurück!«
Isôt hörte nicht auf ihre Mutter. Sie fühlte sich betrogen an Leib und Seele. Eben noch wollte sie diesem Spielmann im Bade den Körper reinigen, da entpuppte er sich als Mörder. All die vielen Monate lang hatte er den Unschuldigen gespielt, und jetzt faselte er etwas von seinem Onkel aus Britannien und kniete vor ihnen wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb und Mörder. Um alldem ein Ende zu setzen, konnte nur der Tod helfen. Isôt schwang das Schwert über ihrem Kopf, war sich sicher und unschlüssig zugleich und wollte es schon auf den Hals des Halbnackten fallen lassen, als ihr die Mutter in den Arm fiel und das Schwert ihren Händen entwand. Isôt ließ den Angriff der Mutter mutlos über sich ergehen und händigte ihr das Schwert aus. Zu gern hätte sie Tristan erschlagen, aber Tantris am Leben erhalten, und hätte ebenso gern Tantris, den Lügner, getötet, um von Tristan, dem Ritter, die Wahrheit zu erfahren.
Als Tristan sah, wie uneins sich die Frauen waren, erhob er sich, verlangte nach seinen Kleidern und ließ das Tuch von seinen Lenden fallen. So stand er vor ihnen: Sein Körper war makellos, sein Blick wirkte frei, seine Augen leuchteten voller Stolz und Liebe. Die Frauen starrten ihn an, wandten sich ab und
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