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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Augen streiften auch die Königstochter und den britannischen Ritter, der nicht weit entfernt von ihm stand. So zog er die Augenbrauen zusammen, baute sich vor dem Sitzplatz der Königin auf und sagte dreist: »Ein Drachenhaupt ist euch nicht genug? Ihr wollt auch noch in es hineinsehen? Im Dunklen, in dem du dich oft genug verbirgst, liegt für den Sünder das Helle. Heißt es nicht so in der Bibel?« McWighn sah sich nach Benedictus um, der aber blickte zur Seite. »Wenn dir ein Knecht schlechte Nachrichten bringt«, fuhr der Truchsess daraufhin fort und wandte sich wieder an die Königin, »lässt du ihm bisweilen den Kopf abschlagen, damit er nichts mehr sagen kann. Wenn einer klüger ist als du, steckst du ihn in eine Kammer ohne Licht, damit er dumm wird, und wenn dich einer liebt, dann hasst du ihn, und liebst ihn, wenn er dich hasst. So wie du mich hassest und mir deswegen deine Tochter nicht geben willst, obwohl ich dir den Teufelskopf vor deine Füße gelegt habe.«
    McWighn machte eine Pause. Die nutzte Isolde für sich. »Weiter, weiter!«, sagte sie mit unterdrückter Heftigkeit. »Willst du noch mehr über die verkehrte Welt zwischen Frauen und Männern aus deinem Hals wie Unrat schütten, dann tu es. Erkläre mir zuerst, wie das Folgende zustande gekommen ist!« Sie winkte einem der Knechte, die an der Tür warteten, und auf einer Schale wurde etwas hereingebracht, eingewickelt in ein Tuch, das so aussah, als sei es früher einmal ein Hemd gewesen, man konnte die Ärmel noch sehen. Was die Knechte in den Saal trugen, stank nicht weniger durchdringend als der Kopf des Untiers. Isolde ordnete an, die Schale auf einen Tisch zu stellen. Der Knecht folgte der Anweisung und wollte sich schon zurückziehen, blieb aber plötzlich stehen, wandte der Königin den Rücken zu und richtete seine Worte an die Versammelten. »Erkennst du mich nicht mehr, Vater?«, sagte er ohne Ankündigung. »Ich bin es, Finley, dein Sohn, Finley von Connaught.«
    Kaum hatte er dies ausgesprochen, entstand unter den britannischen Lords eine Unruhe wie auf dem Meer, wenn das Wasser plötzlich Wellen aufwirft. Niemand wurde laut, doch alle rührten sich, flüsterten sich etwas zu, unterdrückten ein Stöhnen oder gar einen Ausruf, und zugleich erhob sich einer der Herren, sagte leise: »Das bin ich«, doch er schien nicht weitersprechen zu können.
    Isolde ahnte, was da geschah. Einen Augenblick lang ärgerte sie sich über diesen vorlauten Burschen, doch dann forderte sie Ruhe ein und befahl, »das Ding« in der Schale auszuwickeln. Finley, der gerade seinem Vater wiederbegegnet war, tat dies widerwillig. Zum Vorschein kam die Zunge: blau und lila angelaufen, voller Maden, Fliegen stoben auch hier von dem toten Fleisch auf. Ein Stöhnen ging durch die Reihen der Zuschauer.
    »Und jetzt öffnet dem Untier das Maul!«, übertönte Isolde die Stimmen. Sofort trat Stille ein. Der Truchsess trat von dem Tierschädel zurück. »Mach du das, Finley von ich-weiß-nicht-woher, los, mach es!«
    Finley blickte sich um. Alle hatten sich wieder hingesetzt, nur sein Vater stand noch. Finley sah, dass er sich Tränen aus den Augen wischte. Er selbst unterdrückte ein Schluchzen. Da ging er mit zusammengebissenen Zähnen zu diesem entsetzlichen auf dem Tisch liegenden Schädel und riss ihm mit bloßen Händen den Kiefer auf. Dabei schloss er die Augen, wollte nicht sehen, was er zeigen sollte, hörte nur die allgemeine Unruhe und dazwischen wieder die Stimme der Königin: »Da ist nichts drin, Truchsess!«, schrie sie. »Da fehlt etwas, da fehlt die Zunge, wie dir gleich die Stimme fehlen wird, um dich dazu zu äußern. Denn hier liegt der stinkende Beweis, den ich und meine Tochter bei Tristan, dem Neffen von König Marke von Cornwall, gefunden haben. Eigenhändig haben wir die Zunge dieses Untiers in sein Hemd eingewickelt, und da ist sie bis heute geblieben. Damit steht fest« - sie musste ihre Stimme noch mehr erheben, weil die Lords der Britannier wie auch die wenigen der Eruis lauthals zu lärmen begannen - »damit steht fest, dass Tristan von Parmenien den Drachen getötet und Anspruch auf die Hand meiner Tochter hat!«
    Nun war kein Halten mehr! Die Lords umarmten sich, selbst die, die nicht miteinander befreundet waren, die Mitglieder des eruischen Königshauses stießen wilde Flüche aus. Isolde wollte noch weiterreden, kam aber gegen das Getöse nicht an.
    Gurmûn sah dem Geschehen einfältig lächelnd zu und verwunderte sich, dass

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