Tristan
auszustaffieren und seine Pferde zu putzen! Die Mähnen wurden gestriegelt, das Gold und Silber an den Rüstungen blank poliert, die Hemdsärmel geglättet, die Kragenrüschen aufgestellt.
je mehr Putz und Prunk Courvenal auf dem Schiff wahrnahm, desto entschiedener legte er am dritten Tag seine weltlichen Kleider ab und schlüpfte in seine einfache mönchische Kutte. Er stand neben Gorr am Bug und sah zu, wie sich die Boote der Iren im Morgengrauen der Christina näherten. Es dauerte lange, bis alle Pferde verladen waren und die Barone in den Booten saßen. Courvenal ließ sich als Letzter zum Hafen bringen, der Kapitän blieb zurück. Gorr war froh, all diese Menschen und Tiere von Bord zu wissen, die er schon mehr als zehn Tage hatte beherbergen und ertragen müssen.
Die Barone fanden sich nach und nach im Hafen von Wexford ein, versammelten sich dort zu einer Gruppe von Reitern mit ihren von bunten Schabracken bedeckten Pferden, mit Hunden an der Leine und sogar Falken auf dem Arm. So ritten sie hinauf zur Burg Gurmûns, des irischen Königs, der ihnen die Kinder gestohlen oder sie zu Waisen gemacht hatte. Unter den Schaulustigen standen manche dieser Kinder am Weg, der die Lords hinauf zur Burg führte, und sie erkannten ihre Väter nicht wieder. Oben, am Fuß der Burg, hatte Isolde eine Art Lehnstuhl aufstellen lassen, um ihre Gäste sitzend empfangen zu können. Als die Barone einritten, breitete sie ihre Arme aus, rief wiederholt ein »Willkommen!« aus und bat die Reiter in den Runden Saal, um mit der Verhandlung zu beginnen.
Der Runde Saal war ein Gebäude mit einem Spitzdach, notdürftig mit Schilf bedeckt. Die festen Wände bestanden aus Holz, Torf und Stroh, teils waren auch nur dicke Tuchbahnen aufgehängt, besetzt mit Leder- und Stoffresten. Wie in einem römischen circus waren im Rund Bänke aufgebaut, und gegenüber dem Haupteingang mit seinen zurückgeschlagenen Vorhängen aus dunkelrot gefärbtem Wollstoff stand ein erhöhtes Podest. Dort nahmen Isolde, Gurmûn, Isôt und der Graf von Wexford auf Lehnstühlen Platz. Ein Stuhl blieb frei. Auf ihm hatte einst Isoldes Bruder Morolt gesessen, doch heute würde der Stuhl nach der Verhandlung von einem der beiden Kontrahenten besetzt werden: vom Truchsess oder von Tristan.
Sobald der geladene Rat der Eruis und die britannischen Lords zur Ruhe gekommen waren, eröffnete der König das Gericht. Seine Begrüßung der Versammlung bestand aus der Nennung der ersten Familien seines Landes, eine endlos erscheinende Litanei von Namen, viel mehr, als Personen anwesend waren. Die Barone aus Cornwall erwähnte er mit keinem Wort. Zum Schluss rief er nach dem Burgmarschall und forderte ihn auf, sich zu erheben und sich allen zu zeigen. Doch niemand rührte sich. Alle schauten sich um. Da stand Gurmûn schließlich selbst auf und sagte: »Dann bin ich eben der Marschall, als König vereinige ich alle meine Untergebenen in einer Person!« Er lachte überlaut, wandte sich zu einem Knecht um und verlangte Bier. Isolde riss ihn am Ärmel, er solle sich wieder setzen, und flüsterte ihm etwas zu. Gurmûn neigte seinen dicken Kopf zur Seite, wie um sie besser verstehen zu können, gleichzeitig kam der Knecht mit einem Krug. Gurmûn setzte ihn an und trank ihn in einem Zug aus. Unter den britannischen Baronen entstand ein empörtes Gemurmel. Gurmûn schien das alles nicht zu kümmern. Er streckte die Arme aus und brüllte in den Saal: »Die Königin soll für mich sprechen. Sie hat das Wort, und sie ist es, die entscheiden wird!« Wie um seinem derben Gehabe noch eins draufzusetzen, rülpste er einmal kräftig, wischte sich den Mund am Ärmel ab, gab den Krug dem Knecht zurück, der davoneilte, um ihn erneut zu füllen. Von da an war vom König der Eruis kein Wort mehr zu hören.
Nun erhob sich Isolde. Ihre Gewänder waren golddurchwirkt, ihre Lippen purpurrot übermalt, und alle fühlten sich ergriffen von ihrer Schönheit. Dass die Königin anstelle des Herrschers vor der Versammlung sprechen sollte, war ungewöhnlich. Die wenigen anwesenden Grafen aus den südwestlich gelegenen Provinzen Eruis wussten, welch mächtigen Einfluss Isolde auf die Geschicke des Landes hatte. Für die Lords aus England hingegen war es undenkbar, dass die Frau eines Königs eine gerichtliche Verhandlung leiten sollte. Gemäß den Statuten war es britannisches Recht, nach dem hier vorgegangen werden sollte. Das wussten Graf Wessely und alle anderen, das wusste auch Courvenal. Nach diesem
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